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20240504 MiJ Reportage aus Charkiw Wehrschütz Mod

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Berichte Ukraine

Ungewohnte Klänge ertönen drei Mal pro Woche am Nachmittag aus diesem Turnsaal einer Hilfsorganisation in der Stadt Charkiw. Wir sind Zeugen einer Tanzstunde für Erwachsene, die in klassischen Tänzen, konkret ist es ein Walzer, unterrichtet werden. Anwesend sind ein Ehemann und sieben Frauen in den besten Jahren. Auch Erwachsene müssen Stress abbauen, begründet Julia Levanda, die Leiterin der Hilfsorganisation, diesen Kurs:

Julia Levanda 3'12'8 - Tanzkurs für Erwachsene - 3'23'7
"Die Frauen versäumen keine einzige Stunde. Für sie ist das ein Möglichkeit, aus dem Haus zu kommen und sich zu entspannen. Das gibt das Gefühl, dass es keinen Krieg, dass es etwas Normales gibt."

Bei Kursen liegt der Schwerpunkt aber bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Angeboten werden Turnstunden, Modelbauen und Schach, aber auch Töpfern und Tanzen. Etwa 300 Kinder nehmen pro Woche teil. Betreut und mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln versorgt werden auch alte Menschen, und zwar mit Hilfe der Caritas aus Österreich.

Zerstörte und beschädigte Gebäude sind im unmittelbaren Zentrum der Großstadt Charkiw kaum zu sehen. Doch allein bei unserem eintägigen Aufenthalt erlebten wir fünf Mal Fliegeralarm, so dass die Masse der Kinder online unterrichtet wird. Doch was ist, wenn es keinen Strom gibt, frage ich die Direktorin des Lyceum von Charkiw, Svitlana Kowaljowa:

1'05'2 - Was, wenn kein Strom - 1'28'5
"Wenn es bei den Kindern keinen Strom gibt, dann bekommen sie das Unterrichtsmaterial auf verschiedene Weise, arbeiten selbständig, und dann wiederholen wir mit den Kindern, wenn online wieder möglich ist."

Die Direktorin treffe ich nicht in ihrer eigentlichen Schule, sondern in einer U-Bahnstation. Dort wurden Gänge zu Klassenzimmern umgebaut, die vor allem von Tafelklasslern bevölkert werden. Sie sind hier in Sicherheit und können so mit ihren Mitschülern direkt zusammen sein. Etwa fünf Prozent aller Schüler werden in fünf derartigen Metro-Schulen unterrichtet.

Doch es gibt auch Orte in Charkiw, wo der Krieg Lichtjahre entfernt erscheint. Dazu zählt der Schewtschenko-Park ebenfalls im Zentrum. Die Mitarbeiter des Stadtgartenamtes pflanzen die Blumen in die Beete ein, andere erneuern eine beschädigte Bank. Auf einer sitzt die 20-jährige Studentin Anastasija, wie geht sie mit den Gegensätzen, mit einem Leben zwischen Fliegeralarm und idyllischer Parklandschaft um:

1'36'3 - Leben der Kontraste - 2'01'7
"Ich komme aus dem Landkreis von Donezk, und dort ist die Lage viel schlechter als in Charkiw. Wenn Du verstehst, wie schlecht es dort ist, dann kann man von hier sagen: sehr gut. Die Tage laufen unterschiedlich ab, und wir haben uns einfach darauf eingestellt."

In dem Park steht auch eine mehr als 300 Jahre alte Eiche. Sie hat Napoleon und zwei Weltkriege überstanden. Bleibt der Eiche sowie Charkiw und seinen Bewohnern zu wünschen, dass der Beschuss bald enden möge.

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