Ukraine Landwirtschaft und Odessa
Die Landwirtschaft ist derzeit der wichtigste Exportfaktor der Ukraine; bis zu 60 Prozent aller Ausfuhren entfielen im Vorjahr auf Agrarprodukte; das bedeutete Einnahmen von 24 Milliarden US-Dollar für ein Land, das buchstäblich jeden Groschen brauchen kann. Angesichts der Probleme bei der Umsetzung haben Ukraine und EU massive Anstrengungen unternommen, alternative Routen zu stärken; die Exporte über Odessa seien jedenfalls rückläufig, erläutert in Kiew der stellvertretende Landwirtschaftsminister Taras Visotski:
„Etwa 40 Prozent werden über die Donau-Region exportiert und jeweils etwa 30 Prozent werden exportiert auf dem Landweg via LkW und Eisenbahn und über die Schwarzmeer-Häfen bei Odessa, über den sogenannten Getreidekorridor."
Doch Umschichtung ist keine wirkliche Alternative, weil bereits die neue Ernte vor der Tür steht; außerdem ist der Landweg teurer. Rückläufig sind die Exporte von Getreide auch im Vergleich zum Vorjahr, dem ersten Kriegsjahr. Eine Rolle spielen dabei die hohen Kosten, die auch zu Änderungen beim Anbau geführt haben, erläutert Taras Visotski:
"Bei Getreide erwarten wir heuer knapp 46 Millionen Tonnen, das ist etwa um 15 Prozent weniger als im Vorjahr. Bei den Ölsaaten, Sonnenblumenkerne, Raps und Soja, erwarten wir bis zu 21 Millionen Tonnen; das ist um fünf bis 10 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Bauern bauen mehr Ölsaaten und weniger Getreide an, und zwar aus mehreren Gründen: ein Grund ist die Logistik wegen der Blockade der Häfen am Schwarzen Meer; daher ist der Transport teurer, gerechnet pro Tonne. Dabei haben Ölsaaten einen höheren Wert, daher ist ihr Transport billiger. Zweitens geht es um den Zugang zu Dünger. Soja braucht wenig Dünger, und Ölsaaten sind daher billiger als Weizen und Mais."
Hinzu kommen Herausforderungen durch die Sprengung des Kachowska Staudammes sowie die Verseuchung von Feldern durch Blindgänger; zu den größten Problemen des Agrarsektors zählt der stellvertretende Landwirtschaftsminister Taras Visotski folgende Punkte:
"Erstens geht es um den Zugang zu finanziellen Mitteln, weil es nicht genug Geld gibt, um alle technischen Mittel zu gewährleisten. Neben finanziellen Defiziten geht es um die Logistik, weil Transporte teurer sind und auch der Verkauf nicht immer gesichert ist. Drittens geht es um die Mitarbeiter; ein sehr großer Teil der wurden zum Kriegsdienst einberufen oder haben sich freiwillige gemeldet. Es fehlen uns in der Landwirtschaft zwischen 500.000 und 600.000 Mitarbeiter, das ist ziemlich viel. Hinzu kommt auch die Frage nach Fachkräften, denn wenn diese einberufen wurden, braucht man Zeit, um neue auszubilden."
Arbeitskräfte fehlen nicht nur in der Landwirtschaft; je länger der Krieg dauert, desto weniger Flüchtlinge werden zurückkehren, ein Umstand, der den Wiederaufbau nach Kriegsende massive beeinflussen könnte.