Die Ukraine und ihre Offensive
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ukraine
Inserts: Serhij Krivonos, ukrainischer Generalmajor a.D.
Gesamtlänge:
Melitopol ist seit mehr als einem Jahr von russischen Truppen besetzt; die Stadt liegt 500 Kilometer südöstlich von Kiew und 230 Kilometer nordöstlich der Krim. Für die Rückeroberung ´der Halbinsel und die Spaltung russischer Truppen im Süden nimmt die Stadt eine zentrale Stellung ein; das wissen natürlich auch die Russen, die massive Verteidigungsstellungen gebaut haben, um einen erfolgreichen ukrainischen Vorstoß zu vereiteln:
13'40'2 - Offensive erster Tag - 14'45'4 /14'55'3
"Natürlich kann bereits der erste Tag über den Erfolg des Angriffs entscheiden; doch ob das auch für das moderne Gefecht gilt, ist für mich fraglich. Denn auch die weiteren Tage können entscheidend sein, weil der Feind ausreichend Reserven hat, um Gegenangriffe zu führen oder unseren Angriff aufzuhalten. Die Grundfrage ist, wie rasch wir in erster Linie die Führungspunkte der russischen Armee und ihre Logistik vernichten können; dazu zählen Verbindung, Aufklärung und die Stäbe. Ist der militärischen Führung der Kopf abgeschlagen wird auch der Körper nicht mehr denken können. Daher wird das Neutralisieren der Führung die Aufgabe des ersten Tages sein."
In der Luft sind die Russen derzeit im Vorteil, weil die Luftverteidigung der Ukraine Schwächen aufweist und etwa gegen derartige geleitete Luft-Boden-Raketen bisher kaum ein Mittel gefunden hat. Die Zerstörungskraft ist enorm, wie diese Bilder aus Bachmut zeigen; Defizite gibt es auch bei anderen Waffensystemen; was heißt das für den geplanten Angriff?
18'56'6 - Ausreichend Waffen und Gerät? Alteisen - 20'28'8
"Im Krieg hat die Armee von folgenden Dingen nie genug: Waffen, Munition, Soldaten, Verpflegung und Geld. Natürlich hätte unsere Armee gerne mehr Waffen und mehr ausgebildete Soldaten, die diese Waffen bedienen können. Doch wir haben, was wir haben, und daran orientieren sich die Angriffspläne. Hätte wir mehr Waffen, würde der Angriff größer sein, haben wir weniger Waffen, wird er kleiner sein, so ist das. Doch es geht nicht darum, an jedem Kilometer der Front eine bestimmte Anzahl an Panzern zu haben, sondern es geht um die Schwergewichtsbildung an einem bestimmten Abschnitt der Front. Doch Waffen ohne ausgebildete Mannschaften, ohne Logistik, ohne richtiges Schwergewicht, ohne Störung der Kommunikation der Russen, ohne Ausschaltung ihrer Stäbe, ihrer Luftabwehr und Flugzeuge, ohne diese Voraussetzungen sind Waffen nur Alteisen. Panzer allein, sind nur ein Haufen Alteisen."
Ukrainischen Panzern und Geschützen setzen derzeit russische Kamikaze-Drohnen hart zu; doch auch den Ukrainern gelingen Erfolge im Drohnenkrieg auf dem Schlachtfeld; das betrifft auch den Abschuss von russischen Panzern, sowie den Kampf gegen russische Söldner der Wagner-Truppe in Schützengräben. 200 und 300 sind dabei Begriffe aus der Militärsprache für Verwundete und Gefallene.
Unklar ist, wie lange die Kämpfe um Bachmut und in der Ostukraine noch dauern werden, ehe der ukrainische Gegenangriff beginnt. Unklar ist für die Öffentlichkeit wo und wie; klar ist, dass das Element der Überraschung genutzt werden soll; klar sind jedenfalls für Generalmajor Krivonos die Ziele des Gegenangriffs:
28'48'6 - Ziele der Offensive und Kriegsdauer - 30'12'4
"Die Hauptaufgabe besteht derzeit darin, unser Territorium zu befreien und den Feind zu zwingen, seine aggressiven Pläne aufzugeben. Das wird umso besser gelingen, je mehr Staatsgebiet wir befreien, je mehr Waffen wir vernichten und je mehr Russen wir gefangen nehmen. Manche sagen, dass dieser Gegenangriff entscheidend sein wird, um den Krieg zu beenden; ich bin nicht so optimistisch, weil die Russen noch ausreichende Reserven haben und weitere Männer mobilisieren können. Unsere Aufgabe besteht bildlich gesprochen darin, jedem Russen auf den Kopf zu hauen, um bei ihm Zweifel zu wecken, warum sie Krieg führen, ob das richtig ist, und wozu sie fallen. Derzeit funktioniert die russische Propaganda noch sehr stark und es gibt keine Zweifel. Denken sie daran, wie Stalingrad für Deutschland im Zweiten Weltkrieg eine kalte Dusche war, als die Deutschen an dem Krieg zu zweifeln begannen. So muss auch unser Angriff ein Informations-Stalingrad für das russische Volk werden."
Störche gelten auch in der Ukraine als Zeichen des Lebens und des Friedens; doch noch wird der Tod weiter reiche Ernte halten und Frieden ist für diese Land nicht in Sicht.