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Humanitäre Hilfe durch Österreich in der Ukraine

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Berichte Ukraine


Im Krieg in der Ukraine haben die Streitkräfte des Landes durch den russischen Rückzug aus der Stadt Cherson im Süden weitere beträchtliche Geländegewinne erzielt. Das ist zweifellos ein großer Erfolg für die ukrainischen Streitkräfte, der aber teuer erkauft wurde und darüber hinaus an der sehr schwierigen Lage der Zivilbevölkerung im ganzen Land nichts ändern. Hilfe unter anderem beim Wiederaufbau leistet auch Organisationen aus Österreich, die von „Nachbar in Not“ finanziert werden; die Dankbarkeit der Ukrainer ist jedenfalls groß und herzlich, wie ein Streifzug durch verschiedene Städte und ein Blick auf verschiedene Hilfsprojekte von Irpin im Norden von Kiew bis hin in die Stadt Nikopol im Süden zeigt.

Blumen für einen ORF-Korrespondenten bei einem Außendreh; die Überraschung war so groß, dass die Übergabe selbst nur auf Fotos festgehalten wurde. Danken wollten die Bewohner von Irpin damit der Aktion „Nachbar in Not“, die Mittel zur Verfügung stellte, damit ihr Haus wieder bewohnbar wird, und ich war eben der einzig greifbare Österreicher. Massiv in Mitleidenschaft gezogen wurden bei den Kämpfen zwischen Russen und Ukrainern das Dach und die Fenster dieses Hauses. Die Erneuerung macht das Gebäude winterfest und kostet umgerechnet 20.000 Euro; der Mehrwert für die Bewohner ist aber viel größer, erläutert Kirilo Krischenko, Leiter der Organisation „Volkshilfe Ukraine“: „An uns wandte sich eine Familie mit mehreren Kindern mit der Bitte um Hilfe. Wir kamen daher hierher, sahen das Ausmaß der Zerstörungen und nahmen die Daten auf. Dieser Bitte schlossen sich auch die anderen Bewohner an. Hier leben mehr als 70 Personen in mehr als 30 Wohnungen; dazu zählen viele Pensionisten, Mehrkind-Familien und Kranke. Daher haben wir uns zur Hilfe entschlossen."

Erneuert werden soll auch das Dach eines weiteren Hauses, das ebenfalls in der Gemeinde Irpin steht. 30 Parteien sollen damit nach Monaten wieder in ihre Wohnungen zurückkehren können. Das gilt auch für Marija und ihren Mann, die dank netter Kollegen ein Dach über dem Kopf hatten: "Sehr geholfen haben mir meine Kollegen am Arbeitsplatz; einige Zeit lebten wir bei einer Kollegin, den Rest bei einer anderen und zwar gemeinsam mit meiner Mutter."
Doch daheim ist eben daheim; und bewohnbar sind Häuser eben nur, wenn Fenster und Dächer vorhanden sind, weil das die Voraussetzungen für das Heizen sind. Doch es geht nicht nur um den Wiederaufbau, denn ein Kriegsende ist noch lange nicht in Sicht. Daher könnte es heuer für die Bevölkerung besonders schwierig werden, sollte Russland weiter die Stromversorgung des Landes zerstören.

Auch in der Stadt Nikopol, die auf der anderen Seite des Stausees liegt, der das mittlerweile vom Netz genommene AKW Saporoschije mit Strom versorgt, sind Stromabschaltungen die Regel; hinzu kommt, dass Nikopol immer wieder von russischer Artillerie beschossen wird; das hat auch dazu geführt, dass nach Angaben des Magistrats nur mehr etwa ein Viertel der Einwohner in der Stadt verblieben sind. Trotzdem lohnt sich ein Besuch auf einem der Märkte von Nikopol. Sie zeigen, dass auch neun Monate nach Kriegsbeginn keine Hungersnot droht. Saisonale Früchte wie Äpfel und Zwetschgen sind ebenso reichlich vorhanden wie das der Jahreszeit entsprechende Gemüse. Natürlich ist das Angebot geringer als vor Kriegsbeginn, aber die Grundversorgung ist gesichert. Ungebrochen ist trotz Beschuss und Opfern auch der Durchhaltewille der Bevölkerung; das zeigt die Marktfrau Natalja, die mich anspricht und sagt: "Du schläfst und schläfst nicht, hast von Geschoßen und Bomben schon so genug; helft uns, dass sie die Ukraine in Ruhe lassen und in ihr Russland samt ihrer sogenannten Befreier zurückkehren. Mögen sie dort für Ordnung sorgen aber nicht bei uns."

Trotzdem sind die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Krieges massiv; das zeigen auch die langen Schlangen bei der Ausgabe humanitärer Hilfe in einem Schulgebäude von Nikopol. Finanziert wird die Verteilung durch Mittel der Aktion Nachbar in Not; durchgeführt wird sie vom Hilfswerk International. In der Schlange steht auch die 30-jährige Ana, eine Mutter von fünf Kindern. Sie ist Verkäuferin, ihr Mann Lehrer: "Die Hilfe ist wichtig, weil wir dann unser Geld nicht für Lebensmittel ausgeben müssen; somit können wir mit diesem Geld Kleidung für unsere Kinder kaufen, aber auch Vitamine, die in der kalten Jahreszeit für ihre Gesundheit wichtig sind."

Ana und ihre Familie leben in einem kleinen, eigenen Haus; einen Holzofen haben sie bereits beschafft; die Oma soll zu ihnen ziehen, sollte ihre Gemeindewohnung nicht beheizt werden. Stromsparen prägt derzeit Nikopol und die gesamte Ukraine. In der Nacht ist es fast in der ganzen Stadt dunkel; selbst die Straßenbeleuchtung wurde auf ein Minimum reduziert. Auch Hilfsorganisationen sind sich der Herausforderungen bewusst, die der Winter in der Ukraine mit sich bringen wird; dazu sagt Heinz Wegerer, Vertreter von Hilfswerk International in der Ukraine: "Der Winter wird eine große Herausforderung; wir unterstützen damit, dass wir Winterpakete zur Verfügung stellen; dazu zählen warme Decken, Thermoskannen und ähnliche Artikel."

Mehr als zehn Monate dauert der Krieg in der Ukraine bereits, und abgesehen von Millionen Flüchtlingen im Ausland leben nach Schätzungen der UNO auch etwa sieben Millionen Binnenflüchtlinge in der Ukraine selbst. Immer näher rückt nun der Winter; selbst wenn es keine größeren Zerstörungen der kritischen Infrastruktur durch russische Angriffe mehr geben sollte, die Herausforderungen für die Ukraine, ihre Regierung und die Hilfsorganisationen werden in den kommenden Monaten besonders groß sein.

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