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Mein Kiew

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Berichte Ukraine
Vor etwas mehr als sechs Monaten begann der russische Großangriff auf die Ukraine. Zwar griffen die russischen Streitkräfte an mehreren Fronten an, doch der zentrale Stoß sollte gegen die Hauptstadt Kiew geführt werden, um die politische Führung zu verhaften. Dieser Blitzkrieg scheiterte am beherzten Widerstand ukrainischer Truppen, und Anfang April zogen die russischen Truppen nach Norden ab, um dann in der Ostukraine in den Einsatz geschickt zu werden. Kiew erhielt so eine Atempause, obwohl es auch nach dem Abzug immer wieder von russischen Raketen beschossen worden ist. In den ersten Tagen des russischen Großangriffs und natürlich auch immer wieder danach war unser Ukraine-Korrespondent im Zentrum von Kiew; er hat die bisherigen Phasen des Krieges um Kiew hautnah miterlebt, und kennt darüber hinaus die ukrainische Hauptstadt seit 30 Jahren. Doch „Mein Kiew“ ist auch ein Film über die wohl älteste Drei-Völker-Männer-WG, die es derzeit in Kiew gibt.

Christian Wehrschütz
Kamera: Nenad Dilparic, Schnitt: Barbara Katzelmayer

Insert1: Darja, Flüchtling aus der Stadt Charkiw

Insert2: Olga, Flüchtling aus der Stadt Energodar

Insert3: Sonja Schragan, Gesandte an der österreichischen Botschaft in Kiew

Insert4: Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew
Insert5: Ruslan, Organisator einer Selbsthilfegruppe in Kiew

Insert6: Ana, Österreicherin ukrainischer Abstammung

Insert7: Ana, Österreicherin ukrainischer Abstammung

Insert8: Franziska, Mutter aus Österreich

Insert9: Jana, ukrainische Leihmutter

Insert10´: Anabel (26), freiwillige Helferin

Insert11: Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew

Insert12: Igor Krilew, Fahrer und Produzent in der Ukraine

Insert13: Igor Krilew, Fahrer und Produzent in der Ukraine

Insert14: Nenad Dilparic, Kameramann aus Serbien

Insert15: Ljuba, die treue Seele des ORF-Büros in Kiew

Insert16: Maxim, Straßenhändler in Kiew

Insert17: Gerhard Bösch, Generaldirektor der Privatbank

Insert18: Gerhard Bösch, Generaldirektor der Privatbank
Insert19: Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew

Gesamtlänge: 29’32

Text:
00‘30
„Як тебе не любити, Києве мій!“ – „Wie könnte man Dich nicht lieben, Mein Kiew.“ … lautet der Refrain eines Liedes, das seit 2014 die Hymne der Stadt ist. Kiew liegt am Dnipro, ein mächtiger Strom, der mich vor 30 Jahren zum ersten Mal beeindruckte.

00‘54
Damals, unmittelbar nach dem Ende der Sowjetunion, wirkte das Denkmal der ukrainisch-russischen Völkerfreundschaft noch nicht so fehl am Platz wie seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim im Frühling 2014.

1’14
Acht Jahre später wurden die Figuren der Brüdervölker geschleift – und zwar Anfang April 2022 als der russische Blitzkrieg gegen Kiew gescheitert war.

1‘40
Die Fundamente dieser Beziehung sind völlig zerstört; nicht nur politisch, sondern vielfach auch familiär. Es wird wohl Jahrzehnte dauern, um die Risse zwischen der Ukraine und Russland zu kitten, zu tief sind die Wunden, die der Krieg schlägt, obwohl Kiew bisher das Schlimmste erspart geblieben ist.

02‘02
Daher fällt es auch mir schwer, den Krieg nicht zu verdrängen, obwohl seine Spuren im Film immer wieder auftauchen werden.

02’13
Auf der Krestschatik, der Flaniermaile im Herzen von Kiew, ist der Widerspruch zum Kriegsalltag in vielen Städten besonders groß. Wer diese Bilder sieht, sieht kein Land, das um sein Überleben kämpft. Daher frage ich die Fußgänger stets, wie ich meinen Landsleuten erklären soll, dass in der Ukraine Krieg herrscht:

02’35
Darija (Kiew Hauptstraße Krestschatik)
"Hier gibt es keinen Krieg; sie sehen, wie das Leben hier blüht. In Charkiw, meiner geliebten Heimatstadt aber herrscht Krieg. Kiew gefällt uns nicht, doch nun leben wir hier."

02‘49
Olga 1'18 - Eindruck von Kiew - 1'52,5 (Krestschatik)
"Hier in Kiew kann man sich entspannen, hier spüren die Menschen den Krieg nicht. Ich weiß, was Krieg heißt, ich komme aus Energodar, wo das größte AKW Europas steht."

0‘306
Gut besucht sind Kaffees und Restaurants, doch wie viel Geld ausgegeben wird, bleibt offen. Bei mir als Ausländer wittern junge Straßenverkäuferinnen ihre Chance; Ljuba und Sara nehme ich ihre Blumen ab.

0‘3’30
Die 14-jährige Viktoria hat ebenfalls Glück. Ein Ballon kostet etwas mehr als drei Euro, die Hälfte geht an die Armee.

0‘3’44
Nun blickt die Welt wegen des großen Krieges auf Kiew – im Jahre 2017 war es der Eurovisions-Songcontest, der die ukrainische Hauptstadt kurzfristig in den Mittelpunkt des europäischen Interesses rückte. Kein Hindernis für die Austragung bildete damals der lokale Krieg in der fernen Ostukraine.

04’13
Auch heuer siegte eine ukrainische Gruppe. Das Siegerlied des Kalush-Orchesters unterlegte die ukrainische Staatssicherheit einem Video, das die militärische Stärke der Ukraine zeigen soll.

04’30
Der Krieg Russlands ist Grund dafür, dass der Songcontest 2023 in London und nicht in Kiew stattfindet.

04‘43
Der Angriff begann am 24. Februar in den frühen Morgenstunden. Aus Kiew setzt eine Massenflucht ein, die Hauptstadt wurde zur Geisterstadt. Evakuiert wurde auch die österreichische Botschaft, und zwar in die Stadt Uschgorod ganz im Westen. Der Weg dorthin war steinig:

05’03
Sonja Schragen
3'44'5 - 4'25'4 - Raus aus Kiew aber wie? - 5'28'3
"Um zu illustrieren, wie chaotisch ... in Bewegung sind, fürchten."

0‘5’47
Die Staus lösten sich erst nach vielen Stunden auf.

05‘52
Am Tag des Kriegsbeginns waren wir noch in der Hafenstadt Mariupol; weit nach Mitternacht erreichten wir Kiew. Nach einer kurzen Nacht fuhren wir zur österreichischen Botschaft, in der lokale Mitarbeiterinnen die Stellung hielten.

06‘11
Hier hatten wir schon Wochen vor Kriegsbeginn eine Notfallausrüstung eingelagert –

6’21
nicht auszuschließen war, dass unser Büro bombardiert wird, weil es neben dem Präsidentenpalast liegt. Doch in der Botschaft gab es keine gute Internetverbindung mehr. Bei der Wahl zwischen zweifelhafter Sicherheit und effizienter Berichterstattung entschied ich mich für das ORF-Büro, wo das Internet bis heute hervorragend funktioniert.

06‘50
Als einer der wenigen deutschsprachigen Journalisten war ich in Kiew und verfügte auch noch über eine gute Infrastruktur.

07‘06
Enorm war der Run der verbliebenen Kiewer auf die wenigen Geschäfte, die im Zentrum der Stadt noch geöffnet hatten. Für Brot musste man sich gut zwei Stunden anstellen; Regale leerten sich in Windeseile, zumal völlig unklar war, ob und wie eine Versorgung der ukrainischen Hauptstadt funktionieren würde.

07‘32
Anderseits kam humanitäre Hilfe aus dem Ausland recht rasch in die Stadt. Dabei gab es sehr bewegende Momente, die Bürgermeister Vitali Klitschko nie vergessen wird:

07’50 Klitschko Zitat

08‘24
Massiv war auch die Unterstützung durch private Hilfsorganisationen. Als Zwischenlager dienten wiederholt Tiefgaragen, die einen akzeptablen Schutz gegen Artilleriebeschuss boten und auch als Luftschutzkeller genutzt wurden:

08’49 Ruslan, Organisator einer Selbsthilfegruppe in Kiew
„Wir organisieren alles, was wir können. Sie sehen, dass wir hier - unter einer warmen Lampe unsere Sessel haben. Bei Fliegeralarm sitzen wir hier, wobei ein derartiger Alarm fast überhaupt nicht zu Ende geht.“

09‘05
U-Bahn-Stationen waren ein weiterer Zufluchtsort. Sie liegen im Zentrum sehr tief und waren über die nächtliche Ausgangssperre hinaus geöffnet. Hinzu kommt, dass so manche Keller nicht in Schuss waren und nur zweifelhaften Schutz boten und bieten.

09’36
In dieser kritischen Zeit riefen mich wiederholt Österreicher an, die um Hilfe baten. In einem Fall ging es um den Transport von Angehörigen in die österreichische Botschaft.

09‘50
Großmutter, Mutter und zwei Töchter hatten kein Auto und saßen somit in ihrer Wohnung in Kiew fest. Besonders ungemütlich war der Aufenthalt im sogenannten Luftschutzraum:

10’02: ANA1

10’30
Mit Sack und Pack brachten wir die vier Frauen in zwei Fahrten zur Botschaft. Die Großmutter machte dabei den gefasstesten Eindruck.

10’47
Die Botschaft bot nicht nur größeren Schutz, sondern diente vor allem als Sammelpunkt für die Evakuierung nach Österreich. Warum hat sich die Familie nicht viel früher abgesetzt?
11’00 ANA2

11’10
Mehr als 10 Personen wohnten zeitweise in der Botschaft, versorgt und betreut von ukrainischen Mitarbeiterinnen.

11’22
Noch viel stärker belegt war dieses Ausweichquartier einer ukrainischen Klinik. Die Ukraine ist ein Zentrum für Leihmütter. 20 Babys, die sie geboren haben, warteten hier auf die Abholung durch ihre Eltern. Denn in der ersten Phase des Krieges war eine Fahrt nach Kiew kaum möglich.

11’43
Enorm waren auch die Ängste, die Eltern ausstehen mussten, wenn Leihmütter gerade schwanger waren:

11’52 Franziska

12’19
Ich besuchte die Leihmutter in Bela Zerkva, 70 Kilometer von Kiew entfernt. Die Mutter aus Österreich hatte mich darum gebeten. Im Film heißt sie Franziska, doch das ist nicht ihr richtiger Name.

12’36
Der Leihmutter überbrachte ich einen Koffer der Eltern aus Österreich; darin waren alle möglichen Gegenstände, die eine Schwangere brauchen kann.

12‘52
Auch ein Video-Telefonat mit Österreich brachte ich zustande:
12‘59
Warum ist Jana Leihmutter geworden?

13’02 JANA

13’27
Autofahren war in den ersten Kriegswochen eine enorme Herausforderung. Treibstoff war Mangelware, stundenlanges Anstellen bei Tankstellen die Regel. Hinzu kamen als Staufaktor vor allem in Kiew immer wieder Kontrollposten, die an sich nicht gefilmt werden dürfen.

13’53
Beim Barrikadenbau am Maidan halfen auch Freiwillige mit:

13’58 Anabel
„Wir sind dageblieben, weil das unser Land ist; zweitens haben wir keine Verwandten in anderen Landesteilen, und drittens glauben wir an unsere Streitkräfte und unsere Verteidigung. Wir helfen, wo wir können; gestern haben wir einer alten Oma, die nicht aus dem Haus gehen kann, Lebensmittel zugestellt.“

14’27
Das unmittelbare Stadtzentrum blieb bisher vom Krieg verschont, nicht aber Außenbezirke. Ein Bild von der Lage machte sich stets Bürgermeister Vitali Klitschko. Kiew wurde viel weniger getroffen als seine nördlichen Vororte oder viele Städte in der Ostukraine, wo kaum mehr Menschen leben:

14’39 Klitschko 19’59 – 20’31
„Ich möchte eines sagen … Deshalb kämpfen wir.“

15’28
Und deshalb berichten wir von überall und sind oft rund um die Uhr im Einsatz. Möglich machen das Internet und moderne Applikationen.

15‘40
100.000 Kilometer haben wir in sechs Monaten zurückgelegt, von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz und retour. Ausgangspunkt und Anlaufstelle ist unser Büro im Zentrum von Kiew.
Igor ist Produzent und Fahrer zugleich. Gemeinsam klären wir, ob die Fahrt an die Front noch vertretbar ist oder nicht. Igor stammt aus Donezk; bereits mehr als acht Jahre arbeiten wir zusammen.

16‘09
Büro und Wohnung sind eins, die meisten Möbel stammen aus meiner ehemaligen Wohnung in Wien. In Kiew wohne ich nun statt mit meiner Familie mit meinem Team.
16’22
Nenad ist seit Februar mein wichtigster Kameramann. Der gebürtige Serbe war mit mir schon vor acht Jahren einmal kurzzeitig in Donezk im Einsatz. Er ist die Ruhe selbst, und war zum Kriegseinsatz bereit, im Gegensatz zu meinem langjährigen Kameramann in Kiew.

Die zentrale Lage und der neunte Stock haben den Vorteil, dass wir jeden neuralgischen Punkt wie etwa den Regierungssitz binnen fünf Minuten zu Fuß erreichen können. Jetzt, während des Krieges, hat diese Lage aber auch Schattenseiten. Unser Nachbar ist der ukrainische Präsident – wir liegen somit in einer Zone höchster Sicherheitsstufe; Gott sei Dank wurde unser präsidialer Nachbar bisher nicht beschossen, auszuschließen das aber nicht.

17’13 Krilew 1 Wohnung
7'48'5 - Gefahr an den Straßensperren - 8'25'3
„Die größte Gefahr lag nicht im Beschuss; denn wir konnten vom Balkon aus sehen, wie Raketen und Artilleriegeschoße über Kiew flogen. Doch die größte Gefahr bestand für uns auf den Fahrten und den Straßen. Es gab so viele Straßensperren und so viele inkompetente Wachposten; das war sehr gefährlich; daher musste man besondere Regeln befolgen.“
17‘46
Doch auch diese Regeln halfen bei Kontrollposten nicht immer!

17’53
8'47'8 - russische Spione - 9'53'2
„Gegen fünf Uhr riefen mich Freunde aus England an; sie hatten im Internet Fotos von mir und Nenad gesehen; darunter stand: „Achtung – russische Saboteure“! Nachdem sich mein Schock gelegt hatte, wurde mir klar, dass ein Schwachkopf an einer Straßensperre unsere Akkreditierung fotografiert und ein zweiter Schwachkopf, diese Fotos gepostet hatte. Wegen dieser Idioten konnte unser Leben in Gefahr sein! Wie Du weißt, wurde an Straßensperren zu Kriegsbeginn nicht lange gefragt. Gott sei Dank konnten wir das Problem mit der Staatspolizei klären; trotzdem hatten wir wiederholt Probleme an den Kontrollposten.“

18’43:
Die Versorgung der Stadt war bis April schwierig; doch die Engpässe wirkten sich wegen der Massenflucht nicht wirklich aus; Restaurants waren einige Monate geschlossen, für uns war das kein Problem! Nenad ist nicht nur Kameramann, sondern auch Küchenchef, der gelegentlich mehr für uns zubereitet als nur Packerlsuppen. Gefahren haben uns zusammengeschweißt; und so funktioniert auch nach sechs Monaten unsere Dreier-WG sehr gut:

19’16 Nenad Dilparic
9'49'5 - Sechs Monate Leben zu Dritt gute Beschreibung – 10’19
„Es ist eine wundersame Verbindung. Igor ist Ukrainer, Ich bin Serbe und Du Österreicher. Es funktioniert, vor allem zwischen mir und Igor. Ich verstehe etwas Russisch, denn ihr beide sprecht ständig Russisch oder Ukrainisch, das ich schlechter verstehe. Igor und ich sprechen schlecht Englisch, doch die Verständigung klappt, wobei Du gut Serbisch spricht. Wichtig ist, dass jeder seine Aufgabe erfüllt, und jedem zu jeder Zeit hilft.“

19’45
Alkohol trinken wir sehr selten …

19’51
Wenn doch – gilt ein Trinkspruch immer unseren Familien.

19’57
Ordnende Kraft im Hintergrund ist Ljuba, die unserem Team ebenfalls seit acht Jahren angehört. Nach Kriegsausbruch dauerte es einige Zeit, bis wir die Staatssicherheit dazu brachten, Ljuba Zugang zum Büro zu gewähren. Sie ist derzeit das einzige weibliche Wesen im Team; unsere ukrainische Sekretärin ist seit zwei Jahren in Karenz; hilft uns aber von zu Hause aus.

20’31
Sagen Sie mir bitte – ich werde oft gefragt - warum ich in Kriegszeiten so schöne Hemden habe. Was ist ihr Geheimnis! Wo haben Sie bügeln gelernt?

20’41
„Zu Hause, für meinen Mann!“

20’47
Ljuba kommt einmal pro Woche. Am Weg hierher gab es dieses Mal Fliegeralarm; wie sehr reagieren die Bewohner noch auf die Sirenen?

20’58
Ljuba, 9'54 - Warum ignorieren? Schlechter Keller - 10'19
„Generell ignorieren die Menschen den Fliegeralarm. In unserem Haus gibt es einen Keller; doch der ist nicht für den Luftschutz ausgestattet, obwohl man sitzen kann. Aber es gibt nur einen Ausgang. Wenn der verschüttet wird, ist das Herauskommen auch ein Problem.“

21’24
Probleme haben derzeit auch die Straßenhändler beim Andrijevskij Spust unter der imposanten Andreas-Kirche. Im August bevölkern dieses Viertel an sich viele Touristen; nun gibt es nur sehr wenige Käufer, und die meisten Passanten sind Einheimische:

21’42
„Touristen gibt es kaum, nur Journalisten wie Sie!

21’49
Bemerkenswert ist ein Blick auf das Angebot; zeigen doch die T-Shirts, wie sehr sich der Krieg auch in den Souvenirs widerspiegelt. „HIMARS“ ist der Name des besten Raketensystems, das die USA bisher geliefert haben; die Kalaschnikow darf natürlich ebenso wenig fehlen wie die Bajraktar; dies ist der Name der türkischen Kampfdrohne, die auf ukrainischer Seite zum Einsatz kommt.
Auf der einen Seiten stehen Kommerz und Heroisierung der soldatischen Leistungen, die tatsächlich bewundernswert sind. Doch auch tausende Opfer forderte der seit 2014 tobende Krieg in der Ostukraine. Seit Februar 2022 sind es noch viel mehr geworden, und die Ruhe in Kiew könnte trügerisch sein...

22‘38
Vor einer dieser Wände treffe ich Gerhard Bösch; er ist Generaldirektor der größten ukrainischen Bank, die 20.000 Mitarbeiter zählt; außerdem ist er einer der wenigen Österreicher in Kiew. Was ist sein Eindruck vom Leben in der Stadt?
22’54:
Gerhard Bösch 3'22'9 - Gepackte Koffer - 3'45'7
"Was ich natürlich auch sehe, Westen fahren zu können."

23’18:
Die Kriegsrelikte, die vor dem Michael-Kloster in Kiew ausgestellt sind, stammen vor allem aus der ersten Phase des russischen Angriffs. Damals überraschten die ukrainischen Streitkräfte mit ihrer Schlagkraft und Kampfmoral nicht nur die Führung in Moskau, sondern auch tatsächliche oder vermeintliche Militärexperten im Westen. Standgehalten haben bisher auch Wirtschaft und Bankensystem

Bösch Ausstellung 13'30'4 - Siegeserwartung Mitarbeiter - 14'09'3
"Was ist eigentlich Ihr ....
"Siegesgewissheit hat es von Anfang an nicht gegeben ... dass die Ukraine wirklich siegt."

24’13
Begonnen hat in Kiew bereits der Wiederaufbau. Fest steht, dass die Stadt den Krieg weit besser überstanden hat als ihre Vorstädte im Norden oder Städte wie Charkiw oder andere, kleinere Städte in der Ostukraine. Kiew ist flächenmäßig etwa doppelt so groß wie Wien; Zerstörungen stechen nicht ins Auge, in der Stadt wurde nicht gekämpft, denn der russische Angriff blieb 15 Kilometer vor dem Zentrum liegen:

24’42 Olexander Akimow,
Leiter des Wiederaufbaus in Kiew
„13 Gebäude wurden zerstört oder sehr schwer beschädigt; bei einem davon stehen wir. Bei 800 Gebäude gibt es unterschiedliche Grade der Beschädigung und Zerstörung; das reicht von zerstörten Fenstern bis hin zur beschädigten Fassade.“

25’07
Kiew hat sich seit dem Abbruch der russischen Offensive Anfang April 2022 stark verändert. Entspannung und Rückkehr sind deutlich sichtbar. Am Höhepunkt der Kämpfe sank die Zahl der Einwohner von 3,6 Millionen auf eine Million; doch seit April kehrten viele zurück. Hinzu kommen noch etwa 200.000 Binnenflüchtlinge aus anderen Landesteilen.

25’35
Nackte Zahlen sind aber nur bedingt aussagekräftig. Kaufkräftigere Schichten kehrten nur zum Teil zurück; das spürt dieser Supermarkt, der etwa 40 Prozent weniger Kunden zählt. Geändert hat sich die Nachfrage; gekauft werden vor allem Güter des täglichen Bedarfs:

25’55 Klitschko zu Rückkehrer 3,6 Millionen, eine Million,
„Jetzt im Moment …. Drei Millionen Handy-Besitzer.“

26’33:
Auch diese Behelfsunterkunft für Babys, die von Leihmüttern geboren wurden, zeigt die Entspannung der Lage. Viele Eltern nahmen das Risiko einer Reise nach Kiew auf sich, und holten ihre Kinder ab.

26’48
Ein glückliches Ende gab es auch für diese Familie aus Österreich. Der Vater, nennen wir ihn Franz, erinnert sich an die vielen Jahre vergeblichen Bemühens:

26’59 Franz Vater
27‘13
Nervenaufreibend waren für Familie und Verwandte die letzten Stunden der Anreise:

27’19 Franziska
5'54'6 - Der Weg und die letzten Kilometer - 6'27'1
"Es hat einen WhatsApp-Live-Ticker gegeben ... und voll schön."

27’45 – offen

27’49
WhatsApp nutze auch ich, um meine Familie live sehen zu können. Die Hoffnung lebt, dass ein Badeurlaub im kommenden Jahre ohne Kriegsstress möglich sein wird.

28’07
Die Monate seit Kriegsbeginn Ende Februar vergingen wie im Flug. Mitte Februar feierten wir noch den Geburtstag meiner älteren Tochter Michaela in Kiew. Der Ort des letzten gemeinsamen Essens war das Restaurant Gortschitza, in der Nähe des Büros. Seit einigen Wochen ist es wieder geöffnet, hat aber viel weniger Gäste. Sein Eigentümer ist ein Elsässer; was erhofft er sich für die kommenden Monate?

28’35 Joel Frantz – letztes Zitat – Gortschitza
12'57'4 - "Die Liebe ist ein Traum" - 13'19'5
"Ich glaube, was ich erwarte ... von unserem Leben gestohlen, nicht?"

28’57
„Liebe ist nur ein Traum“, steht auf dem Plakat hinter ihm. Gilt das auch für einen Frieden für Kiew?

29’04 Klitschko zum Schluss 20'50'2 - Ziel Kiew - 20'54'2
"Kiew war und bleibt ein Ziel von Russland."

29’11
Unter diesem Damokles-Schwert haben die Kiewer und Kiewerinnen ihr Leben zu meistern – ein Streben nach Normalität und Entspannung - ein Leben im Krieg und mit dem Krieg, dessen Ende ungewiss ist.

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