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Reportage aus Lemberg

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Berichte Ukraine

Etwa eine Million Einwohner zählt Lemberg, das Zentrum der Westukraine im Grenzgebiet zu Polen gelegen. In den ersten Wochen des Krieges passierten etwa fünf Millionen ukrainische Flüchtlinge die Stadt, die auch fast 150 Jahre zu Österreich gehörte. Durch den Ansturm platze Lemberg aus allen Nähten, waren alle Betten belegt und internationale Organisationen halfen beim Bau von Flüchtlingslagern. Zwar gibt es auch in Lemberg immer wieder Fliegeralarm, doch von russischen Raketen beschossen wurde das Zentrum bisher nie und die Lage hat sich stark geändert; natürlich bleiben logistische Herausforderungen und der Krieg ist auch in der Stadt fest allgegenwärtig, berichtet aus Lemberg unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Der Sommer war für Lemberg stets eine wichtige Tourismussaison. Verscheide Festivals vom Jazz bis zur Klassik sowie die mitteleuropäische Architektur der Stadt zogen viele Fremde an. … Musik ist auch derzeit im Zentrum zu hören, allerdings nicht nur die von Straßenmusikanten, sondern auch Trauermusik, und zwar vor der Garnisonskirche. Sie ist der Ort, an dem Verwandte und Soldaten ihren gefallen Kameraden das letzte Geleit geben. Während meines viertägigen Aufenthalts war ich zufällig Zeuge von drei derartigen Trauerfeiern. In den Straßen ist nun viel öfter Russisch zu hören, weil viele Binnenflüchtlinge aus dem Süden und Osten der Ukraine kommen. Integrationsprobleme sind keine bekannt; groß war die logistische Herausforderung für die Stadt, betont Bürgermeister Andrij Sadovij:

6'57 - Kriegsfolgen Migration für Lemberg - 8'10'1

"Zwei Millionen haben einige Tage hier gelebt, 200.000 mehr als zwei Monate: 50.000 sind nach Kiew und in den gleichnamigen Landkreis zurückgekehrt. Somit leben derzeit in Lemberg 150.000 Binnenflüchtlinge, untergebracht sind sie in Schulen, Kindergärten, Studentenheimen, doch wir haben auch kleine Flüchtlingszentren gebaut; nun bauen wir einen besonderen Campus für schwangere Frauen, der im Februar kommenden Jahres eröffnet werden soll. Klar ist, dass das ein Prozess ist, der lange dauern wird, weil 50.000 dieser Binnenvertriebenen auch nach dem Krieg in Lemberg bleiben werden, weil sie keine Alternative haben; das sind Personen aus Mariupol und anderen derzeit besetzten Städten."

Andererseits waren und sind die Flüchtlinge auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, betont Andrij Sadovij:

10'25'2 - Kriegsbilanz 11'47'8

"Auch Binnenflüchtlinge nutzen die Dienstleistungen, die Klein- und Mittelbetriebe bieten. Außerdem waren bis vor kurzer Zeit alle Hotels und Quartiere ausgebucht. Bei den Einnahmen haben die Bürger somit kaum etwas verloren, sind doch nicht zuletzt auch fast 100 Botschaften befristet nach Lemberg übersiedelt. Was die Infrastruktur betrifft, so wurden in der Stadt durch Beschuss nur einige Objekte beschädigt oder zerstört, weil wir alles Militärische bereits bis Kriegsbeginn aus der Stadt gebracht haben. Psychologisch herrscht aber Stress durch den Krieg, Lemberg ist als Teil der Ukraine ebenfalls vom Krieg betroffen; viele Bewohner waren als freiwillige Helfer tätig und haben Armee, Flüchtlinge und Territorialverteidigung unterstützt.

Das größte Projekt ist für den Bürgermeister nun der Bau eines modernen medizinischen Zentrums für Rehabilitation. Darum steht es in der Ukraine gar nicht zu Besten, und wenn Verletzte oder Invalide Glück im Unglück haben, kommen sie zur Rehabilitation in die EU. Zu seinem Projekt sagt Andrij Sadovij:

4'27'2 – Rehabilitation Pläne für Lemberg - Unbroken 5'28'3

"Wir möchten in diesem Jahr die Projektierung des Rehabilitationszentrums abschließen und Vorbereitungsarbeiten beginnen. Der eigentliche Bau soll dann im nächsten Jahr beginnen und etwa zwei Jahre dauern; parallel dazu werden wir auch die gesamte Infrastruktur errichten."

Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht; daher wird Rehabilitation auch in zwei Jahren in Lemberg und der ganzen Ukraine noch eine große Rolle spielen.

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