Gespräch mit Verhandler Garantien
Still ist es geworden um die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland, die zu einem Ende des Krieges führen sollen. Einerseits sind die Positionen zwischen Kiew und Moskau weit auseinander, andererseits geht es um Sicherheitsgarantien auch westlicher Staaten für die Ukraine; doch verhandelt wird weiterhin, und da dient auch die österreichische Neutralität als ein Mosaikstein für eine mögliche Lösung. Mit einem Mitglied des ukrainischen Verhandlungsteams das für die Fragen der Sicherheitsgarantien zuständig ist, hat unser Korrespondent Christian Wehrschütz ein Exklusivinterview geführt:
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ukraine
Inserts: Botschafter Olexander Tschalij, Experte im ukrainischen Verhandlungsteam
Gesamtlänge: 3’10
Als die Sowjetunion im Dezember 1991 endgültig zerfiel wurde die Ukraine über Nacht zur drittgrößten Atommacht der Welt; davon geblieben ist heute nur mehr ein Museum, das einst als ein Silo für Interkontinentalraketen diente. Die Ukraine musste auch unter dem Druck der USA atomar völlig abrüsten; im Gegenzug bekam sie 1994 das Budapester Memorandum, das die USA, Russland und Großbritannien unterzeichneten. Seine Sicherheitszusagen waren das Papier nicht wert, wie die Annexion der Halbinsel Krim 2014 zeigte:
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„Deshalb haben wir jetzt die Erfahrungen und Fehler, die wir 1994 gemacht haben, berücksichtigt. Für uns geht es um Sicherheitsgarantien in Form eines internationalen, rechtsverbindlichen Abkommens; darin müssen konkrete Maßnahmen vorgesehen sein, die die Garantiestaaten in sehr kurzer Zeit ergreifen müssen, sollte die Ukraine Ziel einer Aggression anderer Länder oder einer besonderen Militäroperation werden. Diese Gespräche sind nicht einfach, obwohl gewisse Fortschritte erzielt wurden.“
Und wie sollen diese Garantien auf militärischem Gebiet aussehen?
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„Im Falle eines Angriffs wollen wir von den Garantiemächten einen klaren Algorithmus, einen klaren Ablaufplan. Wir hätten gerne, dass in diesem Fall uns nicht nur militärische Hilfe, sondern auch finanzielle und wirtschaftliche Hilfe geleistet wird. Außerdem sollen die Garantiemächte verpflichtet und berechtigt sein, Hilfe in Form von Streitkräften zu leisten; und dies ist ein sehr heikles Thema, insbesondere wenn sich unter den Garantieländern Russland und die USA befinden, denn es könnte eine Situation geben, in dem die Streitkräfte eines Garantielandes gegen ein anderes eingesetzt werden könnten, und daher sind diese Verhandlungen sehr schwierig.“
Denn Waffen liefert der Westen nun auf Hochtouren, doch für die Ukraine sterben steht nicht auf dem Programm. Außerdem ist der ukrainische Knoten ohne Einigung zwischen Russland und den USA nicht lösbar:
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„Die Ukraine ist heute ein entscheidender Schlüssel bei der Bildung eines neuen europäischen Sicherheitssystems. Dies erfordert multilaterale Verhandlungen.
Nach den schrecklichen Verbrechen der russischen Armee in Irpen und Butscha sehen wir jedoch, dass unsere wichtigsten Partner im Westen klar zum Ausdruck gebracht haben, dass sie heute nicht bereit, diese Fragen direkt mit Vladimir Putin zu besprechen. Dies schafft gewisse Probleme für weitere Verhandlungen. Mir scheint, dass dies ein Thema ist, das Russland in seinen Beziehungen, vor allem zu den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, direkt ansprechen muss.“ Offensichtlich sind dabei die Fortschritte gering; der Krieg wird somit weiter gehen, und die Zeche dafür zahlt in erster Linie die Ukraine, gefolgt von Russland und Europa.