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Der dornige Weg zum Wiederaufbau in Ukraine

Fernsehen
ORFIII
Berichte Ukraine

Mehr als 6 Milliarden Euro Hilfe für die Ukraine hat eine Geberkonferenz in Warschau diese Woche beschlossen. Weitere Finanzhilfe kommt durch die EU und ihre Mitglieder sowie durch die UNO, die zum Beispiel Sozialleistungen für die Millionen Binnenvertriebenen in der Ukraine finanziell unterstützt. Viele dieser Gelde sind Budgethilfen für die Regierung in Kiew; fraglich ist, ob und wie rasch dieses Geld bei an sich gesunden Betrieben ankommt, die durch den Krieg massiv geschädigt wurden; dazu zählt eine Kette mit 39 Supermärkten; acht wurden zerstört, darunter auch das Flaggschiff in der Kiewer Vorstadt Gostomel:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ukraine

Inserts: Jelena Gretschischkina, Direktorin einer Supermarktkette

Gesamtlänge:

Im Juli vor zwei Jahren öffnete der City Market in der Kiewer Vorstadt Gostomel seine Tore. Dazu produzierte die Marketing-Abteilung der Supermarktkette ein Werbevideo, das noch heute den einstigen Glanz des Geschäfts zeigt.

Träger des Projekts war Jelena Gretschischkina, die Direktorin dieser Kette mit fast 40 Supermärkten:

Video-Spot: Olena Gretschischkina,

„Die Eröffnung des neuen Supermarkts bedeutet neue Arbeitsplätze und Steuereinnahmen für die Budgets alle Gebietskörperschaften.“

Keine zwei Jahre sind seither vergangen, und nun führt sie mich durch die Ruinen des völlig ausgebrannten Supermarkts; in manchen Regalen liegen noch völlig verkohlte Waren, verdorbene Blumen stehen noch ebenso herum wie die zerstörten Vitrinen, in denen sich sogar noch unversehrte Eier finden. Jelena Gretschischkina ist anzumerken, dass ihr das Herz blutet, wenn sie durch die Ruinen geht; dabei geht es um mehr als nur um die materiellen Verluste:

3'22'1 - Warenwert - 3'40

"Wenn wir nur die Waren und die Rohstoffe für die Produktion rechnen, dann lag dieser hier vernichtete Wert bei umgerechnet etwa 700.000 Euro."

Beschäftigt waren 200 Mitarbeiter; so gab es im City-Market mehrere Schauküchen, ein Aquarium, Fisch und Fleisch wurden frisch verarbeitet, Tiefkühlprodukte selbst erzeugt. Die ganze Kette beschäftigte 1860 Mitarbeiter; derzeit sind es noch etwa 400:

2'32'7 - 20 Prozent bekommen Lohn - 3'06'7

"Löhne bezahlen wir derzeit etwa einem Fünftel aller bisherigen Mitarbeiter. Natürlich möchte ich alle Mitarbeiter wiedereinstellen, doch derzeit ist das nicht möglich. Wo wir Geschäfte wieder öffnen, werden wir vorrangig bisherige Mitarbeiter einstellen."

Die Eigentümer der Kette flohen 2014 vor den russischen Separatisten aus Donezk und begannen, eine neue Existenz aufzubauen. 20 Millionen Euro wurden investiert, ein Teil auch durch Kredite:

3'44'9 - Überbrückungshilfe- 4'14'8

""Wir brauchen Finanzhilfe in jeder Form: Wir brauchen günstige Kredite, um die Zinsen der bestehenden Kredite zurückzahlen zu können. Am besten wäre es, den bestehenden Kredit tilgen zu können. Natürlich braucht es zusätzliche Investitionen, um Betriebe wiederaufbauen zu können."

Denn auch die geöffneten Filialen in Kiew spüren den Krieg; verglichen mit der Zeit davor hat sich der Umsatz halbiert; dass gespart wird, wo es nur möglich ist, zeigen die Kühlregale für Getränke, die nun nicht beleuchtet sind, um Strom zu sparen. Ein Problem ist der weitgehende Ausfall der eigenen Produktion und somit von Waren, die nun zugekauft werden müssen:

5'05'4 - Verluste und Lieferanten 5'58'4

"Wir müssen unseren Lieferanten auch die Waren bezahlen, die in unseren Geschäften durch den Krieg zerstört oder geplündert wurden. Außerdem sind wir nun gezwungen im Voraus die Waren zu bezahlen, und teilweise die Schulden zu tilgen. Da gib es gewisse Schwierigkeiten; daher bezahlen wir und bekommen nun vor allem Waren, die für die Kunden am wichtigsten sind: Gemüse, Fleisch und Brot. Geringer wurde das Angebot."

Dafür wurden einige Waren sichtbar teurer; das betrifft vor allem Importware, weil die Häfen der Ukraine durch den Krieg nicht nutzbar sind. So kostet nun ein Kilo Orangen 44,99 Griwna, das sind etwa 1 Euro und 50 Cent.

7'12'3 - Wie viel teurer? - 7'40

"Im Februar kosteten die Orangen etwa einen Euro pro Kilo. "

CW: das heißt jetzt ein Drittel mehr?

"Ja, da spielt die Saison auch eine Rolle, doch natürlich auch die logistischen Verluste."

In der Zentrale in Kiew liegen Säcke mit ukrainischen Münzen; teilweise sind sie verfärbt, deformiert, verklumpt, obwohl die Mitarbeiter das Geld so gut wie möglich gereinigt haben. Die Münzen stammen aus den Kassen in zerstörten Geschäften, an denen die Kunden ihre Waren selbst bezahlen konnten. Die Nationalbank nimmt diese Münzen zurück; doch auch dieser Betrieb zeigt: die Ukraine braucht einen Marschallplan nicht erst nach dem Krieg, sondern jetzt, damit gesunde Betriebe überleben können.

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