Reportage über Lage der Flüchtlinge im Osten
Nach Schätzungen der UNO sind mittlerweile mehr als 5 Millionen Menschen aus der Ukraine vor dem russischen Krieg geflohen. Hinzu kommen noch mehr als 7 Millionen Binnenflüchtlinge, die sich über das Land verteilen. Binnenvertrieben und Flüchtlinge versuchen vor allem selbst eine Wohnung zu mieten oder bei Freunden und Verwandten unterzukommen. Bilder aus Aufnahmezentren widerspiegeln daher oft nicht das reale Ausmaß der Flüchtlingsströme. Für die betroffenen Landkreise und Gemeinden, sind sie - trotz aller Solidarität - auf jeden Fall eine große logistische Herausforderung.
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine
Insert1: Tanja, Flüchtling aus Popasne
Insert2: Vladimir, Leiter der Sportschule in Pavlograd,
Insert3: Valentina, Flüchtling aus dem Raum Volnovacha
Insert4: Valentina, Flüchtling aus dem Raum Volnovacha
Insert5: Anatolij Verschina, Bürgermeister von Pavlograd
Gesamtlänge: 2‘52
Der Landkreis Dnipropetrowsk zählte vor zwei Wochen 80.000 Flüchtlinge, jetzt sind es bereits 180.000, die offiziell registriert sind. Viele stammen aus der Stadt Popasne im Kreis von Lugansk. Der Anblick der Stadt ist nun ebenso trostlos wie der von Mariupol. Aus Popasne stammen diese Frauen, die am 6. März nach Pavlograd flohen, und in dieser Turnhalle unterkamen. Kontakt zu männlichen Verwandten in Popasne gibt es nicht:
2'59'1 - Nichts mehr funktioniert - 3'05'9
"Nichts geht mehr, kein Telefon, kein Gas, kein Strom.
Verantwortlich für die Unterbringung ist der Direktor der Sportschule, der sich auch als Trainer der Kickbox-Nationalmannschaft einen Namen gemacht hat. Trainiert wird nach wie vor am Abend. Was wird für die Flüchtlinge benötigt?
Vladimir 2'17'2 - Nötig - 2'34
"Eine Waschmaschine, weil die Menschen hier mit der Hand waschen. Dazu brauchten wir noch einen Kühlschrank und einen E-Herd."
Eine Waschmaschine kostet in Pavlograd umgerechnet 350 Euro, aber die Stadt hat dafür keinen Budgetposten. Benötigt werden Waschmaschinen auch für dieses Lehrlingsheim, in dem 150 Flüchtlinge untergebracht sind. Dazu zählt Valentina mit zwei Kindern im Alter von sieben und zehn Jahren. Sie stammt aus dem Raum Volnovacha in der Nähe von Mariupol:
Valentina 2'05'3 - Ausreise - 2'29'5
"Am 20. März sagte mein Mann zu mir: "Hier ist das Auto, packt die Sachen und fahrt weg, solange es noch möglich ist. Wir fuhren mit Tränen in den Augen, während hinter uns eine Brücke nach der anderen zerstört wurde. "
Sie haben dort noch einen Monat ausgeharrt?
2'50'6 - Hoffnung - 3'09'9
"Die Hoffnung stirbt zuletzt. Man hofft, dass der Krieg nicht zu uns kommt, dass man bleiben kann, dass es möglich ist; noch immer hoffen wir, dass alles gut wird."
Ihr Mann ist beim Katastrophenschutz und in der Nähe der Frontline im Einsatz. Die Stadt Pavlograd liegt 80 Kilometer östlich von Dnipro; vor dem russischen Angriff zählte sie etwa 100.000 Einwohner; jetzt kommen noch 10.000 Flüchtlinge hinzu. Ungünstig ist auch die Demographie der Stadt
Verschina 10'09'3 - Kohle - 12'21'7
"Offiziell zählt die Stadt etwa 22.000 Beschäftigte; im Kohlbergbau arbeiten etwa 8.000 davon, doch die Kohlezechen liegen nicht im Stadtgebiet; ökologisch ist das gut, finanziell, aber schlecht, weil diese Beschäftigten dort ihre Steuern zahlen, wo der Betrieb steht. Ihre Sozialleistungen muß aber die Stadt finanzieren."
Mit Gleichmut nimmt die Bevölkerung offensichtlich die vielen Fliegeralarme, die leider sehr ungenau über eine tatsächliche Bedrohung informieren. Bisher ist die Stadt nur selten beschossen worden, und für die Bürger bleibt zu hoffen, dass es auch so bleibt.