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Caritas Hilfe im Krieg in der Ukraine

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Etwa sechs Wochen sind seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine vergangen; nach Angaben der UNO haben mehr als 4,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer bereits ihr Land verlassen. Ebenfalls sehr hoch dürfte die Zahl der Binnenflüchtlinge sein, die die Kriegsgebiete verlassen haben, aber im Land geblieben sind. Eine Anlaufstelle für diese Menschen ist die ukrainische Caritas, die auch von der österreichischen Caritas seit Jahren massiv unterstützt wird. Die Arbeit dieser ukrainischen Hilfsorganisation hat unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz in der Ostukraine verfolgt;

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ukraine

Insert1: Alisa, Mutter und Flüchtling aus Charkiw

Insert2: Insert1: Alisa, Mutter und Flüchtling aus Charkiw

Insert3: Olga, Großmutter und Flüchtling aus Charkiw

Insert4: Olga, Großmutter und Flüchtling aus Charkiw

Insert5: Tatjana, Pädagogin und Mitarbeiterin der Caritas in Poltawa

Insert6: Tatjana, Pädagogin und Mitarbeiterin der Caritas in Poltawa

Insert7: Vladimir Rakovetskij, Leiter der Caritas in Poltawa

Gesamtlänge: 6’30

Die Caritas in Poltawa ist eine Anlaufstelle für Flüchtlinge aus Charkiw und anderen Städten der Ostukraine. 10.000 sind hier bereits registriert, darunter etwa 3.000 Kinder. Zehn von ihnen sind mit ihren Angehörigen zu einer psychologischen Betreuung gekommen, die die Caritas anbietet. Dazu zählen die neunjährige Nicole und ihre dreijährige Schwester Eleonora, die von ihrer Mutter Alisa begleitet werden; vertrauensbildend gegenüber dem fremden Mann aus Österreich wirken Fotos meiner Enkelin und so kommt ein Gespräch zustande. Die 33-jährige Alisa wurde in Russland geboren, lebte aber ihr ganzes bisheriges Leben in Charkiw, das von russischer Artillerie nach wie vor beschossen wird:

2'42'3 - Überleben in Charkiw und Lage - 3'17'5 (35)

"Seit dem 24. Februar waren wir immer im Luftschutzkeller und haben dort geschlafen. Wenn es am Tag ruhig war, sind wir nach Hause gegangen, haben gegessen, uns gewaschen und sind wieder in den Keller. Zu Hause war es sehr schlimm; wenn wir mit Artillerie beschossen wurden, wackelten die Wände, und wir suchten Schutz in den Gängen, und haben dort sogar manches Mal geschlafen, wenn wir zu Hause waren. Eines schönen Tages sind wir aufgewacht, entschieden, dass wir hier nicht mehr bleiben können, und fuhren weg."

Alisas Mann blieb in Charkiw und unterstützt dort freiwillige Helfer bei der Verteilung von Nahrungsmitteln und Medikamenten. Und wie lebt die Familie jetzt in Poltawa?

3'64'4 - Wohnung gemietet - 3'55'6 (14)

"Wir haben eine Wohnung gemietet; zu uns kamen Verwandte und Freunde aus Charkiw; wir sind 11 Personen in einer Drei-Zimmer-Wohnung."

Die Frau macht einen viel gefassteren Eindruck als Olga, die Oma der beiden Mädchen; ihr fällt es sichtlich schwer, von Charkiw zu sprechen:

Olga Oma 4'49'1 - Schluchzen und Schilderung - 5'07'5 (25)

"Ja, wir leben alle; gut, dass wir zeitgerecht abgefahren sind. ... Wir kommen aus dem Bezirk Severni-Saltow; dort wird nach wie vor geschossen, gibt es Beschuss. Jeden Tag rufe ich jemanden an, der dortgeblieben ist; unsere Garage ist ausgebrannt, zweimal wurde sie getroffen."

Das Haus steht aber noch. Doch wie verarbeiten die zwei Enkelkinder die Erfahrungen des Krieges:

6'24'3 - Reaktion der Enkelinnen - 6'50'4 (20)

"Die Ältere, Nicole, wird hysterisch, wenn sie eine Sirene hört; die Jüngere, Eleonora, ist ruhig; sie versteht, was Krieg ist, will aber nur nach Hause in unseren Garten, wenn der Krieg zu Ende ist. Sie fragt nur, „Wann kann ich nach Hause, ich will in meinen Garten, ich will nach Hause.“

Die Flüchtlingskinder betreut die Pädagogin Tatjana, die seit mehreren Jahren für die ukrainische Caritas arbeitet. Zum Einsatz kommt die sogenannte Art-Therapie; aus den Zeichnungen können Psychologen auf den Gemütszustand schließen. Wodurch unterscheiden sich Kinder aus Kriegsgebieten von Kindern, die in friedlicher Umgebung leben:

4'35'8 - Kinder verschlossener - 5'51'6 (36)

"Kinder sind verschlossener und schweigsamer, die aus Gebieten kommen, in denen schwere Kämpfe tobten, in denen sie ständig Explosionen und Beschuss hörten und im Luftschutzkeller sitzen mußten. Wenn sie reden, reden sie auch mehr über den Krieg als unsere Kinder in Poltawa, die zwar auch die Sirenen hören, doch bisher ohne Beschuss. Kinder aus den Kriegsgebieten brauchen mehr Zeit, um sich zu erholen, obwohl sich die Psyche eines Kindes ziemlich schnell erneuert. Trotzdem ist das ein großer Stress."

Wie ist es möglich, Kinder den Umgang mit Krieg zu lehren?

7'34'9 - Spielerische Formen und Gewöhnung - 8'51'0 (55)

"Wir erklären den Kindern auf spielerische Art und Weise, wie man einen Schutzraum sucht, wie man auf die Sirene reagiert, damit beides nicht die Psyche der Kinder belastet. Dazu zählt, dass man spielerisch die Lage in der Wohnung bewertet - wo ist es sicher, wo nicht. Heute Früh fragte ich einen Buben, ob er die Sirene gehört und wie er reagiert habe. Er antworte: „Ganz normal; das ist eine Warnung wie das rote Licht bei einer Ampel.“ Somit gewöhnen sich auch die Kinder an diese schrecklichen Dinge."

Kinder- und Altenbetreuung sowie die Hilfe für arme Menschen zählten bereits vor dem russischen Großangriff zu den Schwerpunkten der Caritas in der gesamten Ukraine. Diese Aufgabe hat nun eine neue Dimension gewonnen, weil viele Ukrainer weggezogen sind, die alte und hilflose Nachbarn betreut haben. Hier versucht die Caritas Lücken zu füllen, wobei Betreuungen in russisch-besetzten Gebieten derzeit überhaupt nicht möglich sind.

Auf ukrainisch kontrollierter Seite dominiert derzeit zwangsläufig die Hilfe für die Flüchtlinge; ihre Zahl dürfte in den kommenden Tagen und Wochen wegen der neuen russischen Offensive in der Ostukraine noch deutlich ansteigen. Und was wird am dringendsten gebraucht?

15'12'6 - Was wird gebraucht - 16'29'0 (36)

"Wir wollen hier in einem Raum eine große Waschmaschine mit Trockner aufstellen, damit die Flüchtlinge kommen und ihre Wäsche waschen können. Nicht alle haben in ihren Unterkünften heißes Wasser oder Waschmaschinen. Das wird eine unserer Prioritäten sein. Bei Medikamenten gibt es sehr große Probleme mit Erkrankungen der Schilddrüse sowie mit Diabetes. Bei diesen Medikamenten bestehen in Poltawa die größten Engpässe; über Lieferungen würden wir uns sehr freuen, weil wir sehr viele Anfragen haben."

Diese Engpässe bestehen de facto überall in der Ukraine. Sie versucht die Caritas durch Zusammenarbeit mit ihren Schwester-Organisationen in den Nachbarstaaten, in Deutschland, Österreich oder Italien zu verringern. Denn diese und andere Hilfsorganisationen sind für Flüchtlinge ein Anlaufpunkt, an dem die schrecklichen Folgen des Krieges wenigstens gelindert werden können.

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