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Berichte Ukraine

Kriege stellen Menschen vor große Herausforderungen und schwerwiegende Entscheidungen, offenbaren aber auch den Charakter eines Menschen. Unter diesem Gesichtspunkt haben viele Ukrainerinnen und Ukrainer enorme Einsatz- und Opferbereitschaft bewiesen; dazu zählen Freiwillige des Roten Kreuzes, Frauen, die die Soldaten von der Heimatfront aus unterstützen, bis hinzu Unternehmern, die unter enormen logistischen Herausforderungen versuchen, die Produktion von Lebensmitteln aufrecht zu erhalten. All diese Personen hat unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz in der Stadt Bila Zerkwa gefunden und einen Beitrag über ihren Einsatz gestaltet:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ukraine

Insert1: Evgenija und Polina, Freiwillige Helferinnen in Bila Zerkva

Insert2: Oksana und Viktoria, Mütter in Bila Zerkva

 

Insert3: Tanja, Mutter in Bila Zerkva

Insert4: Viktoria, Leiterin des Roten Kreuzes in Bila Zerkwa

Insert5: Dennis Paramonow, Unternehmer in der Ukraine

Insert6: Dennis Paramonow, Unternehmer in der Ukraine

Gesamtlänge: 4’30

In der Ukraine wird der Abwehrkampf gegen den russischen Angreifer nicht nur von ukrainischen Truppen geführt; obwohl sie natürlich die Hauptlast tragen, spielt auch die Heimatfront eine wichtige, nicht nur moralische Rolle. So arbeiten diese Frauen in einem Institut in Bila Zerkwa an der Herstellung von Tarnnetzen für ihre Soldaten im Felde. Für ein derart großes Netz braucht man zwei Tage; etwa 100 Freiwillige sind hier im Einsatz:

Evgenija und Polina

"Alles für den Sieg; wir leben sehr gut in unserer Ukraine, daher sind wir sehr besorgt."

"Wir verstehen nicht, warum man uns angegriffen hat. Wir haben begonnen zu blühen, neue Straßen, Fabriken, Arbeit."

Einen Stock tiefer findet ein Erste-Hilfe-Kurs des örtlichen Roten Kreuzes statt; gezeigt wird hier, wie man eine stark blutende Wunde abbindet, die etwa ein Schrappnell einer Artilleriegranate hervorgerufen hat. Derartige Kurse haben nun eine besondere Bedeutung. Das gilt auch für die humanitäre Hilfe, die das Rote Kreuz in Bila Zerkwa ebenfalls leistet. Zu diesem Sammelpunkt sind vor allem Mütter gekommen, die Babys oder kleinere Kinder haben. In diesem Fall stammen die Hilfsgüter aus Polen:

 

Oksana und Viktoria

"Pampers und Hygieneartikel brauchen alle. Mein Mann ist an der Front, und ich blieb mit zwei Kindern zurück, habe aber kein eigenes Einkommen. Außerdem sind viele Geschäfte leer. Daher ist es sehr schön, dass sie uns helfen."

Tanja arbeitete zuvor als Lehrerin; jetzt kümmert sie sich vorwiegend um behinderte Kinder. Wohlhabend war sie nie, und der Krieg hat die Lage noch verschlimmert:

Tanja

"Die Kinder sind klein, ständig gibt es Fliegeralarm; man kann sie daher auch nicht lange allein lassen. In den Geschäften ist die Auswahl an Lebensmittel begrenzt; außerdem fehlt das Geld. Wir sind jetzt Geißeln dieser Lage."

Noch schlimmer steht es aber um Personen, die man im alltäglichen Straßenbild überhaupt nicht sieht, weil sie ihre Wohnung gar nicht mehr verlassen können:

Viktoria

"Wir haben eine Liste mit alten und allein stehenden Personen, die selbst nicht mehr Einkaufengehen können. Früher haben ihnen ihre Nachbarn geholfen, doch viele sind geflohen. Unsere Freiwilligen bringen ihnen jetzt jeden Tag eine heiße Mahlzeit und auch Lebensmittel."

Wie sehr der Krieg Unternehmer vor logistische Herausforderungen stellt, weil Lieferketten unterbrochen sind, zeigt diese Wurstfabrik in Bila Zerkwa, die Dennis Paramonow gehört; vor Beginn der russischen Großoffensive war dieser Betrieb der kleinste von vier Fabriken; nun ist er der einzige der noch arbeitet; einer steht im russisch besetzten Berdjansk am Asowschen Meer, weitere zwei im umkämpften Charkiw im Osten. Vor zwei Wochen wurden hier nur fünf Tonnen Wurst täglich produziert:

Dennis Paramonow

"Gestern haben wir zum ersten Mal 30 Tonnen produziert; den grundlegenden Teil der Maschinen konnten wir aus Charkiw hierherbringen; das war sehr kompliziert. Mitarbeiter aus Charkiw brachten wir hierher und haben sie hier untergebracht. Wir haben hier einen Luftschutzkeller, ein kleines Hotel, haben die Verpflegung organisiert, und ein Kollektiv gebildet."

Wie schwierig ist die Versorgung mit Fleisch?

Dennis Paramonow

"Die Fahrer haben einfach Angst; so wurde ein Auto mit Lebensmitteln im Nachbarkreis beschossen. Doch uns gelingt es, weil wir in der Gegend, etwa 30 Kilometer entfernt, ein Schlachthaus haben. Daher sind Lieferungen möglich und wir können arbeiten."

Dennis Paramonow sagt, dass sein Werk die einzige Wurstfabrik im Landkreis Kiew ist, die noch arbeitet. Zweifellos wird die Versorgung der ukrainischen Hauptstadt sehr schwierig werden, sollten russische Truppen sie einschließen. Doch noch ist es nicht so weit; gestern konnte auch dieser Bus ausreisen; er brachte Patienten und Kinder von Mitarbeitern der bekanntesten Kinderklinik in die Westukraine. Ob und wann eine Rückkehr möglich ist, steht in den Sternen. Zu befürchten ist, dass der Krieg, den Russland vom Zaun gebrochen hat, weit länger dauern wird, als Moskau gedacht hat.

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