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30 Jahre nach Zerfall der UdSSR

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Berichte Ukraine

Am achten Dezember 1991 fassten die Delegationen aus den damaligen sowjetischen Teilrepubliken Weißrussland, der Ukraine und Russlands in einem Jagdhaus in der Beloweschka Heide den Beschluss, die krisengeschüttelte Sowjetunion aufzulösen und die lose „Gemeinschaft Unabhängiger Staaten“ zu bilden. Das historische Dokument, das diese Auflösung festlegt, beginnt mit folgenden Worten:

„Wir, die Republik Weißrussland, die Russländische Föderation, die Ukraine, als Staaten - Gründer der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken , Unterzeichner des Unionsvertrages des Jahres 1922, im weiteren Hohe Vertragsschließende Parteien genannt, stellen fest, dass die Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken als Subjekt des Völkerrechts und als geopolitische Realität, aufhört zu existieren.“

In weiterer Folge werden dann in 14 Artikeln die Gründung und die Ziele der losen Gemeinschaft Unabhängiger Staaten festgehalten, wobei es darunter auch Bestimmungen zur Regelung der Atomwaffen und der Folgen der Katastrophe von Tschernobyl gibt. Unterzeichnet haben die „Vereinbarung“ je drei Vertreter der drei Republiken, darunter der damals bereits gewählte russische Präsident Boris Jelzin, seine rechte Hand und damals stellvertretender Regierungschef Gennadi Burbulis, sowie für die Ukraine Präsident Leonid Krawtschuk und Witold Fokin (Regierungschef) und für Weißrussland Stanislav Schuschkewitsch (Parlamentspräsident) und Wjatscheslaw Kebitsch (Regierungschef).

Dieser historischen Vereinbarung war Mitte November an der Diplomatischen Akademie in Wien eine Podiumsdiskussion gewidmet, die das Österreichische Institut für europäische Politik und Sicherheitspolitik unter Führung des ehemaligen Verteidigungsministers Werner Fasslabend und das Zentrum für humanitären Dialog unter David Harland organisiert haben. Die Veranstaltung bestand aus zwei Teilen, wobei am ersten Podium unter Führung von Botschafter Martin Sajdik Zeitzeugen vertreten waren, die im Dezember 1991 eine Schlüsselrolle bei der Auflösung der Sowjetunion gespielt haben. Von den sechs damaligen Unterzeichnern des Dokuments sind Boris Jelzin und Wjatscheslaw Kebitsch bereits verstorben, während Leonid Kratwschuk zwar noch in Kiew lebt; doch sein Gesundheitszustand ließ eine Reise nach Wien nicht zu; aber auch Stanislav Schuschkewitsch konnte von Minsk nicht anreisen, war aber über eine Videowand in den voll besetzten Saal der Diplomatischen Akademie zugeschaltet. Am Podium saßen Witold Fokin, Gennadi Burbulis sowie der frühere weißrussische Außenminister Piotr Krawtschenko, der bei der Formulierung der „Vereinbarung“ in der Beloweschka Heide eine wichtige Rolle gespielt hat.

Diesen vier Personen stellte Martin Sajdik zu Beginn der Diskussion die Frage, mit welchen Erwartungen und Plänen die drei Delegationen zu dem Treffen gekommen waren, das bereits am 7. Dezember begonnen hat. Darauf antwortete etwa Stanislav Schuskewitsch, dass für ihn und Weißrussland vor allem die enorme Wirtschaftskrise das Hauptmotiv gewesen sein, das zur Einladung zu diesem Treffen geführt habe. Dabei ging es etwa um die Sicherstellung der Gasversorgung für die Bevölkerung im Winter, während für ihn die Zukunft der Sowjetunion zunächst kein Thema gewesen sei. Klar war aber auch Schuskewitsch, dass die Verhandlungen mit Michail Gorbatschow über einen neuen Unionsvertrag für die Sowjetunion nur wenig Chancen auf Erfolg hatten; im diesem Zusammenhang betonte der Ukrainer Witold Fokin, dass es nicht gelungen sei, fruchtbringend zu reden. Er, Foktin, sei zu dem Treffen nach Weißrussland mit dem Ziel gekommen, die Chance zu nutzen, einen unabhängigen Staat aufzubauen. Diesen Willen hatte die Bevölkerung beim Referendum am 1. Dezember 1991 bereits klar zum Ausdruck gebracht. Fokin betonte, dass es viele falsche Gerüchte und Legenden über das Treffen in der Beloweschka Heide gebe; Tatsache sei aber, dass die drei Delegationen in den zwei Tagen sehr intensiv und konstruktiv gearbeitet haben.

Gennadi Burbulis wiederum schilderte die Ausgangslage, die vor dem Treffen der drei Delegationen geherrscht habe. Mit Gorbatschow sei eine Vereinbarung nicht möglich gewesen, zumal die Ukraine unter Präsident Leonid Krawtschuk dazu nicht bereit gewesen sei. Boris Jelzin habe mit Krawtschuk gesprochen, doch dieser sei weder zu einer Föderation noch einer Konföderation bereit gewesen; somit blieb nur die „Gemeinschaft Unabhängiger Staaten“, wobei die Sowjetunion bereits durch den gescheiterten August-Putsch gegen Gorbatschow ihren Todesstoß erhalten habe. Am 24. August 1991 proklamierte das ukrainische Parlament noch unter dem unmittelbaren Eindruck des Putsches mit großer Mehrheit die Unabhängigkeit der Ukraine, und beschloss zugleich die Abhaltung eines Referendums über die Frage der Unabhängigkeit.

Die Bedeutung des Putsches betonte auch der ehemalige weißrussische Außenminister Piotr Kratwschenko; beim Treffen in der Beloweschka Heide habe die Sowjetunion de facto nicht mehr bestanden: „Der Körper war schon tot, der dann auch de jure festgestellt wurde.“ Dieser „Zusammenbruch“ habe auch das Ende des Kommunismus bedeutet, unterstrich Krawtschenko; er betonte ebenso wie Burbulis, dass es kein Blutvergießen und keinen Bürgerkrieg gegeben habe, ein Erfolg, der nicht hoch genug bewertet werden kann, zumal damals der blutige Zerfall des sozialistischen Jugoslawien mit dem Krieg in Kroatien bereits in vollem Gange war.

Das zweite Panel befasst sich dann mit den Folgen des Endes dieses größten Staates der Erde. Geleitet wurde des von Emil Brix, dem Direktor der Diplomatischen Akademie. Er diskutierte mit dem früheren Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, mit Horst Teltschik, dem ehemaligen Berater des deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl, mit Thomas E. Graham, einem Mitglied des Council on Foreign Relations und mit dem Journalisten Christian Wehrschütz. Wolfgang Schüssel betonte die Bedeutung eines Dialoges mit Russland, während Horst Teltschik das Verhalten des Westens kritisierte, dass Russlands Bereitschaft zur Zusammenarbeit und seine Anliegen in den Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion viel zu sehr unberücksichtigt gelassen habe. Thomas Graham, der in den entscheidenden Jahren vor dem Zusammenbruch an der US-Botschaft in Moskau tätig war, betonte, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion an sich für die USA nicht unerwartet kam, wobei die Art ihres Endes natürlich nicht voraussehbar gewesen sei. Abgesehen von der Unabhängigkeit der drei baltischen Staaten hätten die USA aber bis zuletzt Michail Gorbatschow bei seinem Bemühen unterstütz, eine erneuerte Föderation zu bilden, unterstrich Graham.

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