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Gennadi Burbulis zu Russland und Weißrussland

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Berichte Ukraine

Die Beziehungen zwischen Russland auf der einen und der EU und den USA auf der anderen Seite haben nun wohl einen neuen, gefährlichen Tiefpunkt erreicht. So werfen der Westen und die Ukraine Russland vor, Truppen in enormem Ausmaß an der ukrainischen Grenze konzentriert zu haben, einen Vorwurf, den Moskau bestreitet. Doch für Spannungen sorgt auch der Umstand, dass Russlands Vasall, der weißrussische Machthaber, Alexander Lukaschenko, seit Wochen Migranten an der polnischen Grenze als Druckmittel gegen die EU einzusetzen versucht, und zwar wohl nicht ohne Duldung aus Moskau. Ein Politiker des Ausgleichs und der Reformen war zu Beginn der 90iger Jahre Gennadi Burbulis, die rechte Hand des ersten russischen Staatschefs Boris Jelzin. Burbulis war in Wien auf Einladung der Diplomatischen Akademie, die ein Konferenz über den Zerfall der Sowjetunion vor 30 Jahren veranstaltet hat. Mit ihm hat unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz über die internationale Lage gesprochen; hier sein Bericht:

Nach Monaten der Eskalation zeichnet sich nun an der polnisch-weißrussischen Grenze eine leichte Entspannung der Lage ab; so hat auch Warschau bestätigt, dass sich das große Lager an der Grenze leert, weil Minsk für Migranten nun befristete Unterkünfte bereitstellt. Doch zeichnet sich damit ein Einlenken von Alexander Lukaschenko ab? Dazu sagt in Wien der ehemalige stellvertretende russische Regierungschef Gennadi Burbulis:

"Es ist noch schwerer die Vorgangsweise von Lukaschenko zu bewerten, weil er völlig in die Ecke gedrängt ist und keinen Handlungsspielraum hat, um aus dieser Ecke herauszukommen. Doch es gibt bereits einige neue Entwicklungen und dazu zählt, dass die Migranten in vorläufigen Unterkünften untergebracht werden. Mir scheint, dass es einen wechselseitigen Kompromiss geben wird, und zwar auch von Seiten Lukaschenkos."

Keine Fortschritte gibt es dagegen bei den Friedensgesprächen zum Krieg in der Ostukraine, der nun schon fast sieben Jahre dauert. Moskau wirft Kiew vor, den Friedensplan von Minsk gar nicht umsetzen zu wollen, während die Ukraine und der Westen Russland beschuldigen, neuerlich massiv Truppen an der ukrainischen Grenze konzentriert zu haben. Diese wechselseitigen Vorwürfe kommentiert Burbulis so:

"In dieser wechselseitigen Eskalation liegt eine große Gefahr. Als enger Mitarbeiter von Präsident Boris Jelzin in den Jahren 1991 und 1992 weiß ich, wie schwer es ist, seine Werte, Strategie und seine Taktik radikal zu ändern. Teil des Konflikts sind sowohl Propaganda als auch das Beharren auf ein bestimmtes Verhalten in den Beziehungen. Für diese Haltung gibt es in Russland auch eine bestimmte Unterstützung und man steckt in einer gewissen Sackgasse. Ein Ausweg muss gefunden werden, und der kann nur in einem Dialog bestehen auf der Basis eines wechselseitigen Zurücksteckens und Verständnisses, und ich hoffe, dass das geschieht."

Die belasteten Beziehungen zwischen Kiew und Moskau bewertet Gennadi Burbulis so:

"Das ist ein großes Glück und eine Tragödie in den nationalen Beziehungen. Das ist ein historischer Fehler, doch man muss auch verstehen, warum das möglich ist. Wir haben ein post-imperialen Syndrom, das nach dem Zerfall des sowjetischen Imperiums im Jahre 1991 auftrat, als die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten gebildet wurde. Dieser krankhafte Zustand dauert noch an. Die Ukraine kann nicht ohne Russland sein und auch ihre Ressourcen nicht entfalten, wenn sie den russischen Faktor ignoriert. Man muss die nationale Würde des ukrainischen und des russischen Volkes achten, und auf keinen Fall dürfen beide Länder einander den Rücken zuwenden."

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