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Die Krim und der Gipfel in Kiew

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Berichte Ukraine

Still geworden ist es um die Halbinsel Krim, die im Frühjahr des Jahres 2014 die internationale Politik in Atem hielt. Damals annektierte Russland dieses mehrheitlich von Russen bewohnte ukrainische Gebiet, wobei Moskau das Chaos nutzte, das in Kiew nach der Maidan-Revolution herrschte. Anschließende dominierte der Krieg in der Ostukraine die Schlagzeilen und diesen verdrängten alle weiteren Krisen daraus. Nun ist Kiew bestrebt, die Annexion der Halbinsel wieder zum Thema der internationalen Politik zu machen. Dem dient heute die sogenannte „Krim-Plattform“, eine Konferenz an der heute in Kiew 44 hochrangige Politiker aus aller Welt teilnehmen. Österreich ist durch Außenminister Alexander Schallenberg vertreten. Unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz war bereits im März 2014 auf der Krim; nun hat er einen Bericht über den Konflikt gestaltet, der weiterhin das Verhältnis zwischen Moskau und Kiew massiv belastet:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ukraine

Insert1: Irina Tarasjanka, stellvertretende Direktorin von Rus-Krim-Tur

Insert2: Tamila Tamschewa, Stellvertretende Repräsentantin der Krim-Tataren beim ukrainischen Präsidenten

Insert3: Tamila Tamschewa, Stellvertretende Repräsentantin der Krim-Tataren beim ukrainischen Präsidenten

Insert4: Anatoli Kopachevskiy, Direktor der Firma „Wasser-Technologie“

Insert5: Vasil Filiptschuk, Politologe und ehemaliger ukrainischer Diplomat

Gesamtlänge:

Zwei Dinge symbolisieren die massiven Veränderungen seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim; erstens der ausgetrocknete Nord-Krim-Kanal, der immer mehr unter Grünpflanzen verschwindet, seitdem die Ukraine die Wasserader vor fünf Jahren zugedreht hat; und zweitens die 18 Kilometer lange Brücke, die die Halbinsel-Kertsch und damit die Krim an das russische Festland anbindet. Kiew wirft Moskau vor, dadurch den Schiffsverkehr massiv zu beeinträchtigen, eine Kritik, die Russland zurückweist.

Auch der Tourismus auf der Krim profitiert von den massiven Investitionen. Andererseits leidet er unter den Folgen der westlichen Sanktionen, weil praktisch nur Russen als Gäste kommen, doch das ist nicht sein einziges Problem:

15'32'7 - Bessere Ausbildung und mehr und Service - 17'45'2

"Um mehr Gäste anzuziehen, müssen zusätzliche Fremdenführer ausgebildet werden. Auf der Krim gibt es zwar 2000 Fremdenführer, doch das reicht nicht, außerdem brauchen wir auch hier frisches Blut, um Informationen auf neue Art zu präsentieren. Deutlich besser wird die Infrastruktur, doch demotivierend wirkt das Service, dem in Hotels oft die Qualität fehlt. Das habe ich selbst erlebt, als unser Hotelzimmer nicht aufgeräumt war. Mängel gibt es auch noch in den Restaurants und an der Rezeption. Hinzu kommt die Zertifizierung der Hotels, weil derzeit viele Hotels nicht zertifiziert sind; doch die Fotos im Internet müssen nicht mit der Realität vor Ort übereinstimmen, die dann der Gast vorfindet, und das ist schlecht für die Reputation."

Politisch macht die Krim auf den ersten Blick einen stabilen Eindruck, doch mit der Annexion des Jahres 2014 sind noch viele ungelöste Fragen verbunden; dazu zählen die entschädigungslose Enteignung ukrainischen Eigentums sowie die Lage der Minderheit der Krim-Tataren. Mehrfach in ihrer Geschichte deportiert, protestierten sie 2014 gegen die Annexion. Mindestens 50.000 emigrierten danach in die Ukraine. Krim-Tatarische Hilfsorganisationen in Kiew sprechen von permanenter Verfolgung und Unterdrückung; das soll auch für den Sprachgebrauch in den Schulen gelten:

"Was die krim-tatarische Sprache betrifft, so behauptet Russland, dass sich die Zahl der Klassen nicht verringert habe. Prozentuell sind die Klassen nicht sehr viel weniger geworden, doch in der Realität gibt es Unterricht in dieser Sprache nicht. Was tut Russland? Es bezeichnet Klassen und Schulen als Institutionen, wo Krim-tatarisch unterrichtet wird, doch da gibt es nur ein bis zwei Unterrichtsstunden in dieser Sprache. In der Realität ist dieses Angebot sehr, sehr beschränkt."

Probleme gibt es offensichtlich auch vor Gericht:

21'50 - Sprachgebrauch vor Gerichten - 23'08

"Gerichtsverfahren gegen Aktivisten der Krim-Tataren sind ein banales Beispiel; wenn sie krim-tatarisch zu sprechen beginnen und einen Russisch-Dolmetscher verlangen, suchen die Richter nach Dolmetschern und vertagen oft die Verhandlung. Der Richter appelliert auch an die beklagte Partei, Russisch zu sprechen. Auch Schreiben an das Gericht kann man in der Praxis nur auf Russisch schreiben, somit werden die eigenen Vorschriften nicht erfüllt."

Auf der Krim sollte die russische Menschenrechtsbeauftragte ebenfalls befragt werden; doch nach Übermittlung der Fragen wurde das geplante Interview abgesagt. Fraglich ob eine positive Stimmung gegenüber der Ukraine bei der Mehrheit der 2,2 Millionen Einwohner herrscht. Denn die Wasser-Blockade hat negativen Folgen nicht nur für die Landwirtschaft. Zwar hat Russland viel Geld in die Wasserversorgung investiert und auch vier Anlagen zur Entsalzung von Meerwasser sollen gebaut werden. Trotzdem hat die ukrainische Blockade beträchtliche Folgen für die Krim:

12'01 - Abhängigkeit von der Ukraine? - 14'27

Aus der Sicht des Überlebens der Bevölkerung und des Trinkbedarfs der Haushalte ist dieses Problem mehr oder weniger gelöst; das bedeutet nicht, dass das Problem der Wasserknappheit gelöst ist. Viele Siedlungen, in denen es kein Wasser für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen gibt, verlieren schnell ihre Bevölkerung, die in die Städte abwandert, und die Landwirtschaft unterliegt erheblichen Schwierigkeiten. Ohne Wasser ist es ziemlich schwierig, Produkte anzubauen, die auf dem Markt konkurrenzfähig wären. Es gibt dürreresistente Pflanzen, aber ihr Ertrag ist bis zu sieben Mal niedriger.“

Kritisch sieht die Schließung des Nord-Krim-Kanals der ukrainische Politologe Vasil Filiptschuk :

"Die Politik der Isolation führt nicht dazu, dass die Bewohner dieser Gebiete die Ukraine als ihr Vaterland ansehen. Das hat auch die Wirtschaftsblockade in der Ostukraine gegenüber den russisch okkupierten Gebieten gezeigt; diese Politik war kontraproduktiv sowohl für die Ukraine als auch für den Donbass. Denn damit wurde das Regime der Separatisten nicht geschwächt, sondern die negativen Gefühle zur Ukraine gestärkt. Leider haben in unserer Regierung ultrarechte nationalistische Stimmungen über vernünftige Handlungen gesiegt, die zunächst zu einer wirtschaftlichen und dann politischen Reintegration hätten führen können; doch verfolgt wurde eine Politik der Blockade."

Fest steht, dass Russland nicht bereit ist, über die Krim zu verhandeln; fest steht auch, dass derzeit kein realistisches Szenario für eine Rückkehr der Halbinsel unter ukrainische Souveränität besteht.

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