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Säbelrasseln und die deprimierende Lage in der Ostukraine

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Berichte Ukraine

Lange war es still um den Stellungskrieg in der Ostukraine. Doch nun wird wieder mit dem Säbel gerasselt. Russland hat seine Truppen an der Grenze zur Ukraine und auf der annektierten Halbinsel Krim verstärkt. Ukraine, USA und EU warfen Moskau daher vor, die Lage in der Ostukraine destabilisieren zu wollen. Kiew warnte ebenfalls vor einer Eskalation und erneuerte seine Forderung nach einer Aufnahme in die NATO. Keine Fortschritte gibt es seit gut einem Jahr bei den Friedensgesprächen in Minsk; die Feuerpause wurde monatelang eingehalten, doch nun sind die Opferzahlen im Kriegsgebiet wieder gestiegen. An größeren Gefechten dürfte aber keine Konfliktpartei interessiert sein, weil die Spitäler in Corona-Patienten überlastet sind:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine

Insert1: Galina, Sozialarbeiterin im Ort Tschermalik

Insert2: Elena Fabija, Gemeindevorsteherin von Tschermalik

Insert3: Iwan Lubinez, Zivil-militärischer Leiter in Volnovacha

Insert4: Vladirmir Vedenin, Humanitäre Organisation „Proliska“

Gesamtlänge: 3’00

Der Tod eines fünfjährigen Buben zählt zu den traurigsten Momenten des Krieges im heurigen Jahr. Der Bub lebte auf prorussischem Gebiet; seinen sinnlosen Tod dürften Splitter einer ukrainischen Artilleriegranate verursacht haben. Opfer fordert der Krieg auch auf ukrainischer Seite; 26 Soldaten fielen in den ersten vier Monaten dieses Jahres; zum Vergleich: im Vorjahr waren es insgesamt 50. Den Truppen stärkte der ukrainische Präsident Volodimir Selenskij durch einen Besuch den Rücken. Er forderte die Einhaltung der Feuerpause, während in Donezk, Denis Puschilin, der Führer der prorussischen Separatisten, der Ukraine vorwarf, die Friedensvereinbarung von Minsk nicht umzusetzen. Triste ist nach wie vor das Leben an der Frontlinie; die Sozialarbeiterin Galina ist mit ihrem batteriebetriebenen Dreiradler täglich im Ort Tschermalik unterwegs, um alte Menschen zu betreuen, die ihr Haus nicht mehr verlassen können:

"Ich betreue 17 Personen; dazu zählen fünf, für die ich um sechs Uhr aufstehen muss, um ihnen das Essen für den Tag zu kochen. Die übrigen 12 haben unterschiedliche Bedürfnisse. Den einen bringe ich ihre Medikamente oder Lebensmittel. Ich kaufe ein, bezahle die Stromrechnungen oder bringe ihnen ihre Renten."

Dank internationaler Hilfe konnten in Tschermalik das Kulturhaus und der Kindergarten erneuert werden. Der Überlebenswille ist bewundernswert, denn die sozialen Probleme sind enorm:

"Bis zu Kriegsbeginn war bei uns die Landwirtschaft sehr entwickelt. Doch nun gibt es bei uns keinen einzigen landwirtschaftlichen Betrieb. Es arbeiten nur die Institutionen, die aus dem staatlichen Budget finanziert werden sonst nichts."  

Massiv sind bereits jetzt die langfristigen Folgen des Krieges:

 

"15 Prozent des Bezirks sind für die Landwirtschaft verloren. Es wird Jahre dauern, bis wir dieses Gebiet entmint und die befestigten Stellungen abgebaut haben, um diese Flächen wieder nutzen zu können."

Am schlimmsten ist jedoch die Ungewissheit; Friede ist nicht in Sicht; hinzukommt die Corona-Krise, die die Ukraine besonders hart getroffen hat.

"Die Ruhe ist trügerisch; daher leben die Menschen im Dauerstress, selbst wenn nicht geschossen wird, weil kein Ende in Sicht ist. Wir stellen fest, dass nun auch bereits Kinder Zuckerkrankheit bekommen und dass Krebserkrankungen zunehmen."

Vor allem alte Menschen bleiben auf beiden Seiten der Frontlinie zurück. Dörfer und Landstriche veröden, während das Elend vieler Bewohner in der Ostukraine kein Ende hat.

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