Corona hat die Ukraine fest im Griff
In der Ukraine hat die Corona-Pandemie einen neuen traurigen Höhepunkt erreicht. In den vergangenen drei Tagen starben jeden Tag mehr als 330 Personen. Ein Rekord wurde am Mittwoch auch mit mehr als 18.000 Neuinfektionen erreicht. Gering ist dagegen die Durchimpfungsrate; In dem Land mit mehr als 36 Millionen Einwohnern erhielten bisher weniger als 200.000 Personen die erste Dosis. In 13 von 25 Bezirken, darunter auch in Kiew, gilt ein Lock down. Über die Corona-Krise berichtet aus Kiew unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz:
Corona hat die Ukraine fest im Griff. Die Disziplin der Bevölkerung ist mangelhaft, die Kontrollen ebenfalls. Trotz Lock Down haben Restaurants für Stammgäste geöffnet, die das Lokal eben durch den Hintereingang betreten und bei zugezogenen Vorhängen essen. In einem anderen Fall geht man beim Raum für den Straßenverkauf vorbei in das eigentliche Lokal, das gut gefüllt mit Gästen ist. Geheimhalten lässt sich ein derartiger Betrieb nicht; daher ist es sehr wahrscheinlich dass Polizei und Gesundheitsbehörden gegen eine entsprechende finanzielle Beteiligung einfach wegschauen. Sehr niedrig ist die Impfrate, obwohl die Pharmafirmen auch bei der Ukraine um Vorbestellungen angefragt haben; der Arzt Fedir Lapij, Vorsitzender der Expertengruppe für die Prophylaxe in der Ukraine, nennt dafür folgende mögliche Gründe:
" Warum keine Antwort im Sommer erfolgte, weiß ich nicht. Möglich ist, dass es an der Koordination zwischen den Ministerien fehlte. Möglich ist auch eine Verbindung mit den Lokalwahlen im Herbst. Denn im COVID-Fonds waren zwei Milliarden Euro bereitgestellt. Doch dieses Geld wurde vor allem für den Straßenbau verwendet."
Trotzdem geht Lapij davon aus, dass bis Jahresende all jene geimpft werden können, die auch geimpft werden wollen; ob dem so sein wird, bleibt abzuwarten. So hat jüngst Indien die Lieferung von Impfstoff ausgesetzt, weil der Eigenbedarf so hoch ist. In der Ukraine ist die Bereitschaft sich impfen zu lassen, jedenfalls beschränkt; nach Umfragen liegt sie in der Bevölkerung bestenfalls bei 50 Prozent. Groß ist die Impfskepsis auch beim medizinischen Personal; massive Probleme gibt es bei der Behandlung von Patienten, erläutert Fedir Lapi:
25'31 - Herausforderungen COVID – 26’40
"Viele Patienten brauchen eine Unterstützung durch Sauerstoff. Doch binnen eines Jahres wurden zu wenige Anstrengungen von den staatlichen und den lokalen Institutionen unternommen, um diesen Zugang zu Sauerstoff zu gewährleisten. Diese Frage ist noch nicht gelöst, doch die Lage hat sich verbessert. Die Krankenhäuser sind jetzt sehr stark ausgelastet, und es ist schwierig Plätze für eine künstliche Beatmung zu finden. Eine Hospitalisierung erfolgt de facto, wenn ein Bett durch den Tod eines Patienten frei wird.“
Wahre Horrorgeschichten erzählen Ärzte unter der Hand über die Lage in den Krankenhäusern; so müssen Patienten vielfach die Medikamente für die COVID-Behandlung selbst mitbringen. Ein weiteres Problem ist der Mangel an medizinischem Personal betont Fedir Lapij:
26’48 – Personal - 27'44
„Doch zur Behandlung braucht man Ärzte, Krankenschwestern und anderes Personal. Da gibt es einen starken Abgang von Personal ins Ausland, etwa nach Polen, das sehr gerne Fachkräfte aus der Ukraine aufnimmt. Das betrifft viele Anästhesisten, die in Polen viel mehr verdienen, wo die Arbeitsbedingungen und das Leben besser sind. Jetzt geht es nicht nur um Sauerstoff und stark steigende Patientenzahlen, sondern es gibt auch ein Defizit an medizinischen Fachkräften."
Ob, wann und wie die Ukraine die Corona-Krise in den Griff bekommen wird, steht somit in den Sternen.