Die sozialen Folgen von COVID
Je schlechter ein Staat verwaltet wird, je größer seine Budgetengpässe sind und je schlechter der Zustand des Gesundheitswesens ist, desto härter trifft die Bevölkerung der Corona-Krise, die nun schon fast ein Jahr andauert. Ein gutes Beispiel dafür ist die Ukraine. Sie hatte bisher mehr als 800.000 COVID-Fälle zu bewältigen; zu den Infizierten zählen mehr als 26.000 Mitarbeiter des medizinischen Personals. Nach den orthodoxen Weihnachten am 6. Jänner ist daher wieder ein scharfer Lock down vorgesehen. Doch bereits der erste Lock down im Frühling hat die Ukrainer massiv getroffen; das zeigt eine Studie, die die UNO-Entwicklungsorganisation, UNDP, in Kiew veröffentlicht hat. Es berichtet unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz:
Für die Studie des UNDP wurden in der Ukraine mehr als 2000 Haushalte sowie Klein- und Mittelbetriebe befragt. Herangezogen wurden weitere Studien von UNO-Organisationen, die sich mit den Themen Landwirtschaft und Frauen befassen. Frauen sind eine besonders gefährdete Gruppe, weil sie besonders stark im Gesundheitswesen und im Einzelhandel präsent sind. Nach Angaben des UNDP sind wegen der Pandemie neun Millionen Ukrainer armutsgefährdet, mehr als acht Prozent der Klein- und Mittelbetriebe droht der Bankrott. Diese Betriebe stellen 60 Prozent aller Beschäftigten und erwirtschaften 20 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Die Folgen des ersten Lock down für diese Betriebe geht über das Zusperren an sich hinaus, betont der Chefvolkswirt von UNDP in Kiew, Ildar Gazizullin
7'43 - Folgen des ersten Lockdown, Qualifikation - 8'28,
"Zwei Drittel der Firmen sagten, dass sie entweder teilweise oder völlig ihre Tätigkeit während des scharfen Lock down einstellen mussten. Hinzu kommt noch folgender Faktor. Etwa 20 Prozent der ukrainischen Beschäftigten haben nur eine geringe Qualifikation; das ist einer der höchsten Werte in der Region. Und das bedeutet, dass viele einfach nicht von zu Hause arbeiten können. Auch daher traf der Lock down so stark."
16'06 - Keine Reserven - 16'30'8
"Hinzu kommt, dass die Sparquote in der Ukraine sehr gering ist; somit haben nur wenige Ukrainer ein Bankkonto oder Ersparnisse; das macht sie noch verletzlicher, wenn das Einkommen sinkt oder unerwartete Ausgaben anfallen, etwa für die Gesundheit."
Ein Faktor, der die tatsächlichen sozialen Folgen der Corona-Krise für die ukrainische Bevölkerung schwer abschätzbar macht, sei die enorme Schattenwirtschaft, erläutert Ildar Gazizullin
4'42 - Schattenwirtschaft und Corona - 5'20
"Der Anteil der nicht angemeldeten Beschäftigten in der Ukraine liegt nach verschiedenen Schätzungen bei 30 bis 50 Prozent. Offensichtlich können die Arbeitsrechte dieser Beschäftigten kaum geschützt werden, und es ist für sie viel schwieriger staatliche Sozialleistungen zu erhalten. Damit sind diese Personen viel gefährdeter, was die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes betrifft; das ist ein Grund, warum wir denken, dass die Folgen der Krise für das Einkommen von Haushalten ziemlich stark sind."
Bescheiden wirken angesichts der Krise die Hilfsmaßnahmen des Staates; sie beschreibt Gazizulin so:
17'20 - Spielraum des Staates und Maßnahmen - 18'58
"Die Budgetengpässe sind sehr groß, damit konnte der Staat seine Ausgaben nicht stark erhöhen. Zwar wurde ein spezieller COVID-Fond eingerichtet, doch das Geld wurde zum Großteil für Investitionen in die Infrastruktur verwendet, um die Wirtschaft zu beleben. Ein Teil des Geldes ging an das Gesundheitswesen sowie an Klein und Mittelbetriebe. Es gab einige Steuererleichterungen. Was die Haushalte betrifft, so hängen sie von den bestehenden Sozialleistungen ab, die aber nicht sehr effizient und zielgenau sind. Es gab auch Initiativen, neuen Arbeitslosen zu helfen, doch angesichts der Wirtschaftslage wird es immer schwieriger, neue Arbeitsplätze zu schaffen."
Von der EU hat die Ukraine jüngst einen Kredit von 600 Millionen Euro bekommen. Doch weitere potentielle Geldgeber wie der Internationale Währungsfond stehen auf der Bremse, weil der Kampf gegen die Korruption und die Reform des Justizwesens nicht vorankommen.