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Corona und die Ukraine

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Berichte Ukraine

Auch in der Ukraine ist die Zahl der Corona-Infektionen stark gestiegen. Gestern wurden mehr als 5400 neue Fälle registriert. Seit Beginn der Pandemie verzeichnete das Land das Land etwa 350.000 Fälle, 140.000 Personen wurden geheilt. Deutlich sichtbar sind regionale Unterschiede. Die meisten Fälle gibt es im Raum Charkiv in der Ostukraine, in der Hafenstadt Odessa, in Lemberg im Westen sowie in Kiew, das die meisten Fälle verzeichnet. Positiv getestet wurde auch der ehemalige Box-Champion und Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko; er ist in Selbstquarantäne und konnte daher am Sonntag auch bei den Lokalwahlen nicht seine Stimme abgeben. Ob Klitschko die absolute Mehrheit gewonnen hat oder in eine Stichwahl muss, ist derzeit noch nicht klar. Noch unklarer ist, ob es auch in der Ukraine zu einem zweiten Lock down kommen wird. Aus Kiew berichtet unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

Die Ukraine zählt etwa 40 Millionen Einwohner; daher ist klar, dass auch Zahl der Infizierten höher ist als etwa in Österreich. Anders als in Österreich ist aber das staatliche Gesundheitswesen in äußerst schlechtem Zustand; das gilt auch für den Schutz des medizinischen Personals; mehr als 20.000 infizierte Personen sind Ärzte oder Krankenschwestern. Trotzdem und trotz des Personalmangels haben die Spitäler der Pandemie bisher dank entsprechender Beschaffungen durch Städte, Regionen und private Spender standhalten können. Anders sieht es auf staatlicher Ebene aus, erläutert die bekannte ukrainische Ärztin Olga Bogomolez:

"Der Rechnungshof hat analysiert wie und wofür das Geld des Corona-Fonds bisher genutzt wurde. Demnach wurden 80 Prozent der verbrauchten Mittel zweckentfremdet genutzt; sie waren für die Ausstattung der Spitäler gedacht, wurden aber für die Reparatur von Straßen verwendet. Nach Angaben des Rechnungshofes wurden nur fünf Prozent für Spitäler genutzt."

Nach Ansicht von Olga Bogomolez teilt sich die Bevölkerung in ihrer Reaktion auf die Corona-Krise in drei unterschiedliche, etwa gleich große Gruppen. Eine geht völlig leichtfertig mit der Krise um, die zweite sieht optimistisch in die Zukunft und hält sich an die Regeln. Die dritte Gruppe sei sehr verängstigt und leide unter Stress; das habe nicht nur negative Folgen für die Gesundheit, sondern auch für Kinder, sagt Olga Bogomolez:

"In einigen Jahren werden wir es mit den Kindern der Pandemie zu tun haben; es gibt den Begriff der Kinder des Krieges und der Flüchtlinge und es wird auch die COVID-Kinder geben. Es gibt Fälle, dass ein Kind mit der Mutter zum Arzt kommt, und die Mutter sagt: "Nimm die Maske ab." Dann sagt das Kind NEIN. Kinder bis zum Alter von acht Jahren, die mit sehr verängstigten Eltern und Großeltern zusammen sind, entwickeln einen unterbewussten Komplex, der sie ihr künftiges Leben begleiten wird."

Die Ukraine verzeichnete bisher knapp 6.500 Todesfälle, das sind etwa zwei Prozent aller Infizierten. Doch diese Statistik sei nicht vertrauenswürdig, erläutert die Ärztin Olga Bogomolez:

"Leider entspricht die Statistik keinerlei Standards einer richtig durchgeführten Diagnose, weil keine Autopsie an Personen durchgeführt wird, die mit COVID verstorben sind. Somit kann man jede Diagnose schreiben, obwohl offen ist, ob COVID auch die Todesursache war. Heute wird die Todesursache in der Ukraine nur auf der Basis der klinischen Diagnose und des Befunds des positiven COVID-Tests festgestellt. Die Pathologie wird in der Ukraine de facto nicht finanziert. Daher gibt es auch keine ärztlichen Kunstfehler, weil sie niemand feststellt. Das Problem gilt nicht nur für Corona-Fälle. Fast die Hälfte aller Leichenschauhäuser hat keine Kühlanlagen. Es gibt Spitäler, wo in 90 Prozent der Todesfälle keine Autopsie durchgeführt wird."

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