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Privatisierung von Haftanstalten

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Berichte Ukraine

In der Ukraine leidet die Justiz nicht nur unter Korruption, sondern auch unter massiver Geldnot. So beträgt das Budget des Justizministeriums umgerechnet etwa 400 Millionen Euro, auf den Strafvollzug entfällt davon die Hälfte. Im Vergleich dazu liegt das Justizbudget in Österreich bei 1,7 Milliarden Euro und auf den Strafvollzug entfallen 570 Millionen Euro. Doch Österreich hat fünf Mal weniger Einwohner und auch nur einen Bruchteil der Häftlinge der Ukraine. Ihr Justizbudget hat keinen Posten für Renovierung oder Neubau von Gefängnissen; daher will der Justizminister in Kiew nun brachliegende Gefängnisse verkaufen, und mit dem Geld die Haftanstalten modernisieren. In Kiew hat unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz den Justizminister zu seinen Privatisierungsplänen interviewt; hier sein Bericht:

In der Ukraine gibt es140 Haftanstalten und Untersuchungsgefängnisse mit 52.000 Häftlingen. Das Strafvollzugssystem stammt noch aus sowjetischer Zeit; damals gab es keine alternativen Formen des Strafvollzuges sondern nur Haftstrafen; außerdem hat die Ukraine in den 30 Jahren ihrer Unabhängigkeit ein Fünftel ihrer Bevölkerung eingebüßt; das wirkte sich auch auf die Kriminalitätsrate aus. Somit stehen viele Gefängnisse leer, deren Erhaltung nur Geld kostet. In einer ersten Welle will Justizminister Denis Maljuska nun 20 Haftanstalten privatisieren. Als Beispiele führt er an:

5'32 - Gute Lage und Infrastruktur - 6'53

„Ich nenne drei ehemalige Gefängnisse, die für  Investoren sehr attraktiv sind. Das erste liegt in einem Dorf, zwei Kilometer von Kiew entfernt, ein großes Gebiet mit mehr als acht Hektar; die Infrastruktur ist vorhanden: Strom, Wasser, Kanalisation; alles, was man braucht, befindet sich in der Nähe bewohnter Gebäude. Dort ist es möglich, eine große Fabrik oder Wohnungen zu bauen; was auch immer es ist, es ist attraktiv für Investoren. Weitere zwei Objekte liegen in Lemberg und Odessa.  Im Fall von Lemberg liegt das Gebäude mit einer Fläche von mehr als zehn Hektar nur sieben Minuten mit dem Auto vom Zentrum entfernt, auch bei Odessa gehört zum Objekt ein großes Grundstück. Auch in diesen Fällen ist die Infrastruktur vorhanden.“

Jedes Objekt soll mehrere Millionen Euro einbringen, Geld, das zur Modernisierung der Strafanstalten verwendet werden soll. Denn ihr Zustand und die Haftbedingungen sind vielfach menschenunwürdig, erläutert Denis Maljuska:

11'07 - Zustand der Gefängnisse - 12'18

„Es gibt Gefängnisse, die manchmal 100 Jahre alt und sogar noch  älter sind; dementsprechend gibt es keine modernen Bedingungen; die Fenster sind winzig,  sie befinden sich irgendwo unter der Decke, die Zellen sind feucht, die Fläche pro Person in Untersuchungsgefängnissen ist mit 2,5 Quadratmeter pro Person normiert. Da haben wir Personen, die bereits sieben bis acht Jahre auf einer derartigen Fläche einsitzen. Wir bieten keine Standards für Lebensmittel oder das regelmäßige Duschen; jetzt können sich Untersuchungshäftlinge ein Mal pro Woche waschen, das heißt, es gibt wirklich schreckliche Bedingungen, Wir haben viele Fälle vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen unangemessener Haftbedingungen. Was wir jetzt versuchen, ist Mittel zu beschaffen, um die Standards zu erhöhen.“  

Not macht bekanntlich erfinderisch, ein Sprichwort, das auch auf das Justizministerium in Kiew zutrifft. Um Geld für die Renovierung von Untersuchungsgefängnissen aufzutreiben, haben U-Häftlinge die Möglichkeit, sich größere Zellen zu mieten, in denen auch die Ausstattung besser ist. Dabei sind die Preise je nach Örtlichkeit und voraussichtlicher Dauer der U-Haft gestaffelt, betont Justizminister Denis Maljuska:

16'02 - Kosten für Miete - 17'39

„Der Preis liegt bei etwa 400 pro Monat in Kiew, in regionalen Zentren in der ganzen Ukraine ist es viel billiger, da liegen die Preise um die 100 Euro pro Monat. Wir haben das Programm kostenpflichtiger Zellen in 21 Städten der Ukraine. In Kiew ist es am teuerste, weil das die Hauptstadt ist.  Wenn der U-häftling bezahlt, ist die Fläche seiner Zelle größer, denn die Norm von 2,5 Quadratmetern pro Person ist es sehr wenig: Hinzu kommen dann Haushaltsgeräte: Kühlschrank, Mikrowelle, Wasserkocher, Teekanne, Geschirr, gute Bettwäsche und Hausschuhe, hin und wieder eine Klimaanlage, das heißt, alle Geräte wie in einem ziemlich guten Hotel.“

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