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Gedenken an das Maidan Massaker in der Ukraine

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Berichte Ukraine

In der Ukraine wird heute wieder der Opfer der Maidan-Revolution gedacht. Sie dauerte fast drei Monate und führte zum Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch. Er hatte sich im Herbst 2013 unter russischem Druck geweigert, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen; dieser Umstand führte zu Protesten Ende November, aus der dann die Maidan-Bewegung hervorging. Dabei wurden in Kiew 76 Demonstranten getötet; der blutigste Tag war heute vor sechs Jahren mit etwa 50 Toten. Hinzu kommen insgesamt mehr als 20 getötete und mehr als 200 schwerverletzte Polizisten. Doch auch sechs Jahre später sind die Urheber und Hintermänner des blutigen Konflikts noch ebenso in Freiheit wie jene die geschossen haben. Aus Kiew berichtet unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Die Aufarbeitung der Maidan-Revolution gleicht in der Ukraine einem Trichter; die im Herbst 2014 eingesetzte Sonderbehörde hatte und hat in Kiew 4.100 Straftaten aufzuklären, befragte mehr als 20.000 Zeugen und 2.500 Opfer und sichtete Tonnen an Dokumenten und Videos. Doch vom Gericht abgeurteilt wurden bisher nur 56 Fälle, zumeist kleine Fische und nur einige Polizisten. Die meisten Haftstrafen waren bedingt, die höchste der 12 Freiheitsstrafen betrug viereinhalb Jahre. Bisher überhaupt nicht aufgeklärt wurden die Verbrechen an den Polizisten; dazu sagt in Kiew, der Anwalt einiger Polizisten der Sondereinheit Berkut, Oleksandr Goroschinskij:

"Im gesamten Zeitraum des Maidan wurden 1700 Polizisten verwundet, wobei diese Körperverletzungen natürlich unterschiedlich schwer waren. Vom 18. bis zum 20.Februar 2014 wurden 227 Polizisten durch Schusswaffen verletzt, wobei mehr als zehn Personen durch Schusswaffen getötet wurden. Sechs Jahre später wurde kein einziger Maidan-Aktivist deswegen straffrechtlich zur Verantwortung gezogen."

Diese Säumigkeit kritisiert auch das Menschrechtsbüro der UNO in seinem jüngsten Bericht, das die Zahl der in Kiew getötet Polizisten mit 13 Personen beziffert. Abweichende Angaben zählen auch zu den Problemen bei den Ermittlungen. Sie werden auch durch das Amnestie-Gesetz erschwert, das das ukrainische Parlament bereits unmittelbar nach dem Sieg der Maidan-Revolution verabschiedete. Doch die Sonderermittler und die Rechtsanwälte fanden ein juristisches Schlupfloch, das Oleksandr Goroschinskij so beschreibt:

"Unter das Amnestiegesetz fallen Mord und Mordversuch an den Angehörigen der Polizei. Doch von diesem Gesetz nicht betroffen ist jener Paragraph des Strafgesetzbuches, der den vorsätzlichen Mord unter erschwerenden Umständen betrifft. Da die Aktivisten am Maidan Polizisten getötet haben, ist dieser Paragraph anwendbar und fällt nicht unter das Amnestiegesetz."

In welchem Ausmaß die politische Führung in Kiew die Maidan-Prozesse als heiße Kartoffel betrachtet, zeigte Ende Dezember der bisher letzte Austausch von Gefangenen zwischen der Ukraine und den prorussischen Rebellengebieten; dabei wurden auch fünf Sonderpolizisten ausgetauscht, die in Lemberg vor Gericht stehen; dazu sagt Anwalt Oleksandr Goroschinskij:

"Diese fünf ehemaligen Mitglieder der Polizeisondereinheit Berkut werden beschuldigt auf die Demonstranten geschossen zu haben. Die Ermittler bewerten das als terroristischen Akt und als Mord an den Aktivisten. Bei dem Austausch im Dezember wurden diese Männer nach Donezk überstellt; am 8. Februar kehrten zwei der Ausgetauschten nach Kiew zurück; sie haben die Absicht, am Gerichtsverfahren weiter teilzunehmen. Beweise für die Straftaten hat die Generalstaatsanwaltschaft dem Gericht bisher keine vorgelegt."

Somit eint alle Maidan-Opfer nur eines, die Unzufriedenheit damit, dass Aufklärung und Aufarbeitung weiter auf sich warten lassen, eine Tatsache, die sich kaum ändern wird, weil dadurch viele unangenehme Fragen beantwortet werden müssten.

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