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Die Lage im Raum Lugansk und Martin Sajdik

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Berichte Ukraine

In der Ostukraine dauert der Krieg nun bereits weit mehr als fünf Jahre. Offiziell starben dabei mehr als 13.000 Personen, doch die tatsächliche Opferzahl dürfte weit höher liegen. Um einen Frieden bemüht sich der erfahrene, langjährige österreichische Diplomat Martin Sajdik; er ist seit mehr als vier Jahren Chefvermittler der OSZE bei den Friedensverhandlungen in Minsk. Mit Martin Sajdik hat in Kiew unserer Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz gesprochen. Doch er war auch jüngst wieder in der Ostukraine, dieses Mal auf der Seite der prorussischen Rebellen im Raum Lugansk; dort müssen vor allem in Frontnähe Familien und Kinder unter gefährlichen und unmenschlichen Bedingungen leben und auch in die Schule gehen:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine

Insert1: Marina Tkatschenko, Schuldirektorin in Solotoe-5

Insert2: Marina Tkatschenko, Schuldirektorin in Solotoe-5

 

Insert3: Marina Tkatschenko, Schuldirektorin in Solotoe-5

Insert4: Martin Sajdik, österreichischer Chefvermittler in Minsk

Insert5: Martin Sajdik, österreichischer Chefvermittler in Minsk

Gesamtlänge: 5’25

Die Gemeinde Solotoe hat fünf Ortsteile. Wie ausgestorben wirkt der Ortskern von Solotoe-5, das nur einen Kilometer von der Frontlinie entfernt ist. Wie viele Menschen hier noch leben ist unklar. Klar sichtbar sind die Treffer der ukrainischen Artillerie, die zu einer massiven Abwanderung aus den frontnahen Gebieten geführt haben. An der Schule von Solotoe-5 trifft man noch die meisten Einwohner. Hier haben die prorussischen Milizen aus Lugansk Hilfsgüter transportiert, die die kommunistische Partei Russlands gespendet hat; etwa sieben Tonnen waren es bereits in diesem Jahr:

Straße:

2'55 - Soziale Lage - 2'55

"Es gibt keine Arbeit, die Betriebe stehen still. Manche haben irgendeine Arbeit mit Minimallohn, produziert wird hier nichts. In der Ortschaft arbeiten die Schule, das Krankenhaus und das Magistrat für kommunale Fragen, das ist alles."

In der Schule werden die Hilfsgüter umgepackt und die Verteilung der Kartoffel, des Zuckers, der Konserven und anderer Lebensmittel vorbereitet. Bedacht werden nicht nur die 70 Eltern mit 86 Kindern in der Schule. Mehrkindfamilien und Familien mit behinderten Angehörigen bekommen mehr. Die Lage der Schule ist ebenfalls schwierig. Zwar wurde sie seit der neuen Feuerpause, die am ersten September in Kraft trat, nicht mehr beschossen, doch die Spuren früherer Treffer sind deutlich sichtbar. 46 Fenster konnten dank der Hilfe des Roten Kreuzes erneuert werden, doch an der Seite zur Frontlinie sind bereits wieder Einschusslöcher zu sehen. Doch das ist nicht das einzige Problem:

5'05 - Einfluss des Krieges - 5'48

"Oft fällt der Strom aus, auch die Gasleitungen wurden durch Beschuss beschädigt. Probleme haben wir mit der Wasserversorgung, das Wasser muss angeliefert werden. Wir hoffen, dass wir wieder Fließwasser haben werden. All das für auch zu Erkältungserkrankungen."

Groß ist auch der Bedarf an besseren Unterrichtsmitteln:

Schule:

3'18 - Lage Unterricht - 3'43

"Wir haben kein Sprachlabor, was wir haben sind Tafeln und Kreide, Karten und Plakate, mit denen sich der Lehrer vorbereiten kann. Wir haben eine kleine Computerklasse mit fünf veralteten Computern. Wir nutzen das Internet und Computer."

Die Schülerzahlen spiegeln ebenfalls Krise und Krieg wieder. Die 10. und die 11. Klasse besuchen nur mehr jeweils vier Schüler. Unterrichtssprache ist russisch, doch nach wie vor gibt es hier noch drei Wochenstunden Ukrainisch. In der Schule ist auch der Kindergarten untergebracht. Denn der eigentliche Kindergarten kann nicht beheizt werden, weil der Heizkessel bereits vor dem Krieg kaputt war. Die Krise hat der Krieg massiv verschärft, ein Befund, der auch für die ukrainische Seite der Frontlinie gilt. Die Kinder sind zunächst scheu, doch Bilder meiner Enkeltochter brechen das Eis. Hoffnung auf Frieden für diese Kinder erwächst an einer anderen Stelle der Frontlinie.

Denn nach Jahren des Streits zwischen den Konfliktparteien wird nun die Brücke bei Stanica Luganska wieder aufgebaut. Sie ist der einzige Übergang von den Rebellengebieten bei Lugansk auf die ukrainisch kontrollierte Seite. Etwa 10.000 Personen queren täglich die Brücke, ein Tortur vor allem für alte Menschen, Behinderte und Familien mit kleinen Kindern. Massiv für eine Verbesserung der humanitären Lage in der Ostukraine hat sich stets der Österreicher Martin Sajdik eingesetzt. Der Diplomat ist seit mehr als vier Jahren Chefvermittler bei den Friedensverhandlungen in Minsk. Zu seinen Herausforderungen zählt auch die Lösung täglicher Probleme:

16'00 - Hilfe für die Bevölkerung - 16'45

"Natürlich, wir haben uns um die täglichen Probleme gekümmert, um das Wasser um das Telefon, um den Strom. Ich glaube auch, da haben wir wirkliche Erfolge erzielt, dass die Bevölkerung, das sind ja Millionen von Menschen auf beiden Seiten der sogenannten Kontaktlinie, dass die ihr Wasser haben, dass die telefonieren können über die Kontaktlinie, dass sie auch halbwegs menschliche Bedingungen an den Übergangspunkten haben. Im Schnitt stehen die Leute dort zwischen fünf und sieben Stunden. Wir haben an die 30000 bis 35000 Personen Übertritte pro Tag."

Lässt der Wiederaufbau der Brücke bei Stanica Luganska auch neue Hoffnung auf eine Friedenslösung zu:

1'58 - Stanica Luganska - 2'32

"Die Bedingungen, unter denen die Menschen dort von der einen Seite auf die andere wechseln sind einfach unmenschlich. Und es war wirklich an der Zeit, dass hier etwas geschieht. Und natürlich, das Faktum, dass es jetzt passiert, dass es weitergeht, dass dort Veränderungen geben wird, für die Leute, bringt einfach Hoffnung für einer allgemeinen Lösung, das ist einfach da."

Unmenschlich sind auch die Bedingungen, unter denen die Kinder in Solotoe-5 aufwachsen müssen. Sie brauchen zunächst Frieden, und da sind alle Konfliktparteien gefordert, endlich das Wohl der Zivilbevölkerung in den Vordergrund zu stellen.

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