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Nachlese der Debatte in Kiew zur Präsidentenwahl

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Berichte Ukraine

In der Ukraine findet am Sonntag die Stichwahl um das Präsidentenamt statt. Seit Mitternacht herrscht bereits Wahlschweigepflicht; das letzte große Ereignis war jedenfalls gestern die einzige direkte Konfrontation der zwei Kandidaten, von Amtsinhaber Petro Poroschenko und dem politischen Kabarettisten Volodimir Selenskji. Seelenskij führt nach dem ersten Wahlgang und nach allen Umfragen klar, daher forderte ihn auch Poroschenko zum Rededuell. Doch Selenskij bestimmt Ort und Zeitpunkt, ein Fußballstadion in Kiew und den gestrigen Karfreitag, den letzten Tag des Wahlkampfes. Nach wochenlangem Tauziehen lenkte Poroschenko ein, forderte aber zwei getrennte Bühnen, was eine Debatte ad absurdum geführt hätte. Schließlich kam es doch zur Debatte auf Tuchfühlung berichtet aus Kiew unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

60.000 Personen fasst das Fußballstadion, das gestern am Abend nicht einmal auf der Spielfläche besonders dicht gefüllt war, während einige TV-Sender sehr gute Einschaltquoten aufweisen konnten. Der Beginner wurde mit einer Münze bestimmt; als erster sollte Volodimir Selenskij sprechen, doch den ersten Schritt setzte Poroschenko; er verließ seine Bühne und stellte sich neben Selenskij, der sich als Bühnenprofi nicht beeindrucken ließ. In seiner Einleitung, deklarierte sich Selenskij als enttäuschten Poroschenko-Wähler und sagte:

"Ich als einfacher Bursch aus der Stadt Krivoj Rih kämpfe um den Präsidentensessel gegenüber den Leuten, die 2014 mit Überzeugung diesen Mann zum Präsidenten gewählt haben. Auch ich war für Herrn Poroschenko, doch ich habe einen Fehler gemacht, wir haben einen Fehler gemacht. Wie hätten wir auch ahnen können, dass sein Versprechen den Krieg binnen zu beenden, für uns zu den opferreichen Niederlagen von Illowajsk und Delabzevo führen sollte. Wie hätten wir wissen sollen, dass Versprechen, die Leute reicher zu machen, zur Bereicherung nur seiner Leute führen sollte, dass die Revolution der Würde am Maidan, von Unwürdigen genützt werden würde."

Der amtierende Präsident wies diese Vorwürfe zurück; Petro Poroschenko:

"Absolut alles was Herr Volodimir sagt, ist entweder eine Lüge oder entspricht nicht den Tatsachen. Doch auf einige Fragen will ich eingehen. Ich bin weder Richter noch Staatsanwalt, doch der Präsident hat die nötigen Voraussetzungen für eine unabhängige Gerichtsbarkeit zu schaffen. Alle Organe für eine unabhängige Untersuchungsbehörde wurden geschaffen, und keiner meiner Freunde hatte oder wird irgendeine Verbindung zu Korruption haben. Sollte nur irgendein begründeter Verdacht bestehen, würde diese Person aufhören, mein Freund zu sein."

Beide Kandidaten sollten einander Fragen stellen und diese auch beantworten; dazu kam es fast nie, vor allem Poroschenk wich allen unangenehmen Fragen aus und nutze die Bühne, um Selenskij als inkompetent darzustellen und sich als einzig wahren Verteidiger gegen Russland darzustellen. Selenskij präsentierte sich getreu seinen Filmen als „Diener des Volkes“, auch wenn er Poroschenko befragte. Wolodimir Selenskij:

"Herr Poroschenko, ich habe Fragen an Sie, die Bürger via Internet geschickt haben. Zum Beispiel: Wie konnte es geschehen, dass die Ukraine zum ärmsten Land mit dem reichsten Präsidenten in ihrer Geschichte wurde. Warum wissen wir nach fünf Jahren noch immer nicht die Mörder vom Maidan? Sind Sie bereit am Experiment teilzunehmen, mit einer Pension von 50 Euro im Monat zu überleben? Wohin verschwand das Holz unserer Wälder in den Karpaten. Warum wird die Immunität der Abgeordneten nicht abgeschafft?

Auch in diesem Fall blieben klare Antworten aus, obwohl Poroschenko seine zweifellos bestehenden Leistungen in eine geschickte Antwort verpackte:

"Würden Sie wissen, in welchem Zustand ich diesen Staat 2014 übernommen habe, ohne Geld, ohne Währungsreserven, ohne Armee, ohne irgendwelche Waffen, dann würden Sie die Fragen auf andere Weise stellen. Doch sie haben sich in dieser Zeit bemüht, Geld zu bekommen für ihre Filme, auch aus dem russischen Budget, während das Land jede auch nur noch so kleine Hilfe brauchte; denn es stellte sich die Frage, wird die Ukraine überleben oder nicht. Wir Ukrainer, haben den Staat bewahrt."

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