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Interview Wahlkampfmanager Selenskij

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Berichte Ukraine

In der Ukraine findet am Sonntag die Stichwahl um das Amt des Präsidenten statt. Im ersten Wahlgang am 31. März erreichte Amtsinhaber Petro Poroschenko mit etwa 14 Prozent die Stichwahl. Doppelt so viele Stimmen bekam der politische Kabarettist Wolodimir Selenskij; nach allen Umfragen liegt er nun ganz klar vor Proschenko in Führung. Zwischen den beiden Kandidaten gab es nun ein wochenlanges Tauziehen um eine direkte Konfrontation, die nun am letzten Tag des Wahlkampfes, am Karfreitag, in einem Fußballstadion in Kiew stattfinden soll. Abgesehen vom Fernsehen spielte und spielen im Wahlkampf das Internet und die sozialen Netzwerke eine außerordentlich wichtige Rolle. In Kiew hat unser Ukraine-Korrespondent, Christian Wehrschütz, mit Sprecher der Kampagne von Volodimir Selenskij gesprochen und den folgenden Bericht über den Wahlkampf des neuen Sterns am politischen Himmel der Ukraine gestaltet:

Der Wahlkampfstab von Wolodimir Selenskij liegt in einem mondänen Viertel von Kiew, das auch viele Botschaften beherbergt. Im ersten Stock sitzen an Computern etwa zehn Studenten, die als Freiwillige im Einsatz sind, um Fragen von Bürgern zu beantworten oder an andere Abteilungen des Wahlkampfstabes weiterzuleiten. Bei unserem Besuch rufen Ukrainer an, die wissen wollen, wie Selenskij das Gesundheitswesen reformieren und die Korrupution bekämpfen will. Die Studenten können am Bildschirm Aussagen von Selenskij oder das Wahlprogramm aufrufen und Auskunft geben. Etwa 70 Mitarbeiter zählt der Stab, viele sind Freiwille. Sprecher des Teams ist der 35-jährige Dmitri Rasumkow. Im Wahlkampf hat Selenskij seine Botschaften und Videos massiv über das Internet verbreitet. Zur Bedeutung der Sozialen Netzwerke sagt Dmitri Rasumkow:  

 

"Bei dieser Wahl wurden die Sozialen Netzwerke eine sehr ernsthafte Waffe im Kampf um den Sieg. Denn diese Netzwerke und das Internet liegen nur knapp hinter dem Fernsehen bereits an zweiter Stelle. Das Internet ist ein ziemlich billiges Mittel, das man zur Information der Wähler nützen kann. Hinzu kommt dass wir viele junge Wähler haben, die ihre Informationen vor allem über soziale Netzwerke und das Internet beziehen. Außerdem sind viele unsere Anhänger ebenfalls in den sozialen Netzwerken aktiv, und so war es leichter mit ihnen zu kommunizieren und über sie Informationen an die Wähler zu verbreiten."

Vor dem ersten Wahlgang trat Selenskij mit seinem politischen Kabarett „Stadtviertel-95“ in vielen Städten auf. Große Plakate gab es nur wenige, auch sonst fehlten klassische Elemente des Wahlkampfs; warum erläutert Dmitri Rasumkow so:

"Wir verwendeten keine Wahlkampfstandel auf den Straßen und setzten auch keine Personen ein, die Zeitungen verteilten. Erstens halten wird das nicht für sehr effektiv, zweitens ist das sehr teuer, und das können wir uns nicht leisten. Unser Wahlkampfbudget ist bis zu hundert Mal kleiner als das Budget unseres Gegenkandidaten. Was unsere Budget betrifft, so kann ich jetzt nur die Zahlen aus dem ersten Wahlgang nennen; da haben wir etwa drei bis dreieinhalb Millionen Euro ausgegeben. Unsere Experten schätzen das Budget unseres Gegners für den gesamten Wahlkampf auf eine Summe von 150 bis zu 350 Millionen US-Dollar."

Ob diese Schätzung stimmt, ließ sich nicht überprüfen, weil der Sprecher des Stabes von Präsident Poroschenko auf die Anfrage des ORF bisher nicht reagiert hat. Poroschenko hat im Wahlkampf bisher immer auch Selenskij vorgeworfen, kein klares Programm und keine Fachleute zu haben. Dem widerspricht Dmitri Rasumkow. Selenskij habe 17 Arbeitsgruppen mit Experten gebildet, die zu allen wichtigen Fragen Positionen ausgearbeitet hätten. Selenskij und Poroschenko könnten nach derzeitigem Stand der Dinge am Karfreitag zum ersten Mal direkt bei einer Debatte aufeinander treffen. Ob diese Konfrontation, sollte sie tatsächlich stattfinden, den Wählerwillen noch stark beeinflussen wird, ist offen. Wie das Volk entschieden hat, dürfte die Ukraine am Ostersonntag nach Wahlschluss um 19 Uhr wissen, denn es wird neuerlich Nachwahlbefragungen geben.

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