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Der Kampf für freie Medien in der Ukraine

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Berichte Ukraine

In der Ukraine wird der Druck auf kritische Medien immer größer. So forderte das Parlament in Kiew Anfang Oktober den Nationalen Sicherheitsrat auf, wirtschaftliche und personelle Sanktionen gegen zwei wichtige TV-Sender zu prüfen, die auch den Entzug der Lizenz und damit Schließung beinhalten sollen. Den beiden Sendern wirft die Führung vor, prorussische Propaganda zu verbreiten, ein beliebter Vorwurf gegen Kritiker der Regierung von Präsident Petro Poroschenko, der um seine Wiederwahl im März bangen muss. Die OSCE protestierte scharf gegen die geplante Bedrohung der Medienfreiheit. In der Ukraine registrierte die amerikanische Menschenrechtsorganisation Freedom House im Vorjahr mehr als 270 Verletzungen der Medienfreiheit, darunter körperliche Angriffe und persönliche Drohungen auf Journalisten. Einer dieser Journalisten floh im Jänner nach Österreich und erhielt im Oktober politisches Asyl. Mit massiven bürokratischen Schikanen zu kämpfen hat auch der ORF, denn eine Berichterstattung aus den Kriegsgebieten der Ukraine wird von Kiew offensichtlich nicht gerne gesehen; aus Kiew berichtet unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Vor knapp drei Jahren gründete der aus der Ostukraine stammende Journalist Igor Guschwa die Online-Plattform „strana.ua“. Durch die Veröffentlichung von Korruptionsaffären bis hinauf zu Präsident Petro Poroschenko stieg der Bekanntheitsgrad stark an und „strana.ua“ zählt heute zu den fünf meistgelesenen Online-Medien der Ukraine. Im Vorjahr begann dann der Druck auf das Medium, seine Journalisten und seinen Chefredakteur, der durch fingierte Anschuldigungen und persönliche Bedrohung zur Aufgabe gezwungen werden sollte; im Jänner 2018 floh Igor Guschwa nach Österreich, wo er im Oktober politisches Asyl erhielt. Guschwa arbeitet nun von Österreich aus, das Interview fand in Salzburg statt. Die Beweggründe für seine Flucht erläutert Igor Guschwa so:

„Hinzu kamen Hausdurchsuchungen bei unseren Journalisten, und auch körperliche Drohungen gegen sie, doch die Polizei reagierte auf unsere Anzeigen nicht. Ende 2017 wurde ich von Aktivisten einer ultranationalistischen Organisation attackiert als ich im Zentrum Kiews eine Reportage über eine Kundgebung schreiben wollte. Auch da blieb die Polizei untätig. Daher war für mich klar, dass ich entweder im Gefängnis enden oder wie einer meiner journalistischen Freunde ermordet werden würde.“

Die Ukraine steht nicht nur im Krieg mit Russland, sondern auch im Wahlkampf, denn im März wird der Präsident neu gewählt. Petro Poroschenko hat nach Umfragen schlechte Karte, ist aber zu unpopulären Maßnahmen gezwungen, weil er Geld auch vom Internationalen Währungsfonds braucht. Kritische Journalisten würden daher rasch als Agenten des Kreml gebrandmarkt, kritisiert in Kiew der Chefproduzent des Informationssenders „Kanal 112“, Artem Martschewskij:

"Der Druck ist stark, auch der psychologische. Ständig versucht man uns zu punzieren; jeder der mit der Haltung der Staatsführung nicht übereinstimmt, ist ein Agent des Kreml. Jetzt haben sie die Gastarife um 23 Prozent erhöht; wer dagegen ist, ist ein Agent des Kreml."

Kanal 112 ist wohl der wichtigste Informationssender der Ukraine. Dem Sender und dem Kanal „NewsOne“ wird vorgeworfen einem ukrainischen Oligarchen mit prorussischer Gesinnung zu gehören, was beide Sender bestreitet, aber auch nicht verboten wäre. Tatsächlich bietet Kanal 112 eine breite und vielfältige Berichterstattung, die manche sogenannte patriotische Parteien und staatliche Institutionen nicht gerne sehen. Anfang Oktober forderte das Parlament in Kiew den Nationalen Sicherheitsrat der Ukraine auf, beiden Sendern die Lizenz entziehen zu lassen; die OSZE protestierte entschieden; auch die Menschenrechtsorganisation „Freedom House“ sieht in der Aktion den Versuch, die Meinungsvielfalt einzuschränken . Die Lage der Journalisten beschreibt in Kiew der Direktor von Freedom House, Matthew Schaaf so:    

"Es gibt viele Herausforderungen für Journalisten in der Ukraine; an erster Stelle stehen Gewalt und körperliche Bedrohungen. Das Ukrainische Institut für Masseninformation in diesem Jahr duzende Drohungen und andere Zwischenfälle mit Journalisten registriert, von Schlägen durch öffentliche Amtsträger bis hin zu Drohungen wegen ihrer Arbeit. Leider ist das ein regelmäßiges Ereignis in der Ukraine. Hinzu kommt, dass der Mord an einem Journalisten vor zwei Jahren noch immer ungeklärt ist und die Behörden nichts tun."

Ausländischen Sendern blieben derartige Vorfälle bisher erspart; doch von bürokratischen Schikanen wie der Verzögerung oder willkürlichen Verweigerung von Akkreditierungen und Drehgenehmigungen ist nicht nur der ORF betroffen, und die Gestaltung bestimmter Beiträge ist damit bisher verhindert worden.

  

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