Die Krim zwischen sterbender Grenze und neuer Brücke
Mehr als vier Jahre sind seit dem Anschluss der Halbinsel Krim vergangenen, den die Ukraine, die EU und die USA nach wie vor als Annexion verurteilen und nicht anerkennen. Trotzdem und trotz der Sanktionen gegen die Krim und Russland arbeitet Moskau durch massive Investitionen an der völligen Anbindung und Modernisierung der Krim. Dazu zählt auch die größte Brücke Europas, die die Krim mit dem russischen Festland verbindet während der Personenverkehr zwischen der Ukraine und der Krim spürbar zurückgeht, auch wegen der Wirtschaftsblockade die Kiew vor mehr als drei Jahren verhängt hat; einen ukrainischen Landweg auf die Halbinsel Krim hat unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz ebenso besucht wie die russische Krim-Brücke; hier sein Bericht:
Tschongar ist einer von drei Übergängen auf dem Landweg vom Kreis Cherson auf die Halbinsel Krim. Vom russischen Grenzposten ist Tschongar etwas mehr als drei Kilometer entfernt. Diese Strecken legen von beiden Seiten viele Personen im wahrsten Sinne des Wortes mit Kind und Kegel auch zu Fuß zurück, weil die Wartezeit vor allem auf der russischen Seite mit dem Auto viel länger ist, das bis auf die letzte Schraube kontrolliert wird. Im Vorjahr passierten 2,5 Millionen Personen diese drei Übergänge, das sind um 200.000 Personen weniger als im Jahre 2016. Seit gut drei Jahren herrscht eine umfassende ukrainische Blockade; was sie am Übergang Tschongar bedeutet, erläutert die Zöllner Igor Tschichitschin:
„Der Gesamtwert der Waren, die aus der besetzten Krim eingeführt werden, darf nicht höher sein als 500 Euro und es dürfen nicht mehr als 50 Kilogramm sein. Diese Waren dürfen nur dem persönlichen Verbrauch dienen. Lebensmittel dürfen nur maximal 10 Kilo eingeführt werden und den Gesamtwert von 200 Euro nicht übersteigen.“
Wirtschaftlich hat sich Kiew mit der Blockade ins eigene Knie geschossen, denn auch aus den Geschäften auf der Krim sind ukrainische Produkte praktisch verschwunden.80 Prozent der hier angebotenen Waren stammen vom russischen Festland, sind oft teurer als in Moskau, und müssen noch über Fähren auf die Krim transportiert werden. Auf der Fähre zahlen schwere LkWs für die Hin- und Rückfahrt derzeit etwa umgerechnet 360 Euro. Denn die 19 Kilometer lange Brücke zum russischen Festland ist bisher nur für den Personenverkehr freigegeben; ab Herbst soll das anders werden; darauf wartet auch die lokale Industrie, wie etwa ein metallverarbeitender Betrieb in Simferopol, im dem Vitali Pikman beschäftigt ist:
"Metall ist auf der Krim im Durchschnitt um 5 Prozent teurer als auf dem russischen Festland. Wir warten sehr darauf, dass die Brücke auch für den Verkehr für schwere LkW zugelassen und auch die Eisenbahnbrücke in Betrieb gehen wird. Dann sollten auch die Metallpreise sinken, weil die Transportkosten geringer werden."
Anderseits sorgt die größte Brücke Europas auch für zusätzliche Spannungen im Asowschen Meer. Ukraine und EU werfen Russland vor, die freie Schifffahrt einzuschränken und kritisieren Kontrollen ukrainischer Schiffe durch die russische Küstenwache. Diese Vorwürfe weist der stellvertretende Regierungschef der Krim, Georgij Muradow zurück:
"Man darf eben nicht zuerst erklären, dass man die Krim-Brücke sprengen wird und sich dann wundern, dass es eine schärfere Sicherung in diesem Gebiet gibt, die natürlich im Rahmen des Gesetzes erfolgt. Man darf nicht in der Art von Piraten einen russischen Fischfänger entern und die Fischer verhaften. Den Fischern wird vorgeworfen, dass sie rechtswidrig aus ihrem Heimathafen Kertsch auf Fischfang gegangen seien. Sie bekamen eine Strafe, die mit unserer Hilfe bezahlt wurde, trotzdem durften die Fischer die Ukraine bisher nicht verlassen."
Fakt ist, dass die Grundpositionen zwischen Russland und der Ukraine sowie den USA und der EU zum Fall Krim unvereinbar sind; Ausfluss dessen sind auch die Spannungen im Asowschen Meer. Der Vertrag zwischen Moskau und Kiew zur Nutzung dieses Binnenmeeres ist zwar noch immer in Kraft; der Anschluss der Krim an Russland, hat aber dessen Grundlage völlig verändert, weil Russland nicht zuletzt auch durch die Krim-Brücke eine dominierende Stellung im Asowschen Meer gewonnen hat. Der Streit um die Krim wird noch viele Jahre dauern, während die Brücke und weitere massive Investitionen die Anbindung der Krim an Russland immer stärker werden lassen.