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Kritik aus den eigenen Reihen und an Russland aus Donezk

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Berichte Ukraine

An der 500 Kilometer langen Frontlinie der Ostukraine ist die Lage so ruhig wie schon seit vielen Monaten nicht mehr. Ob dieses weitgehende Einhalten der Feuerpause auch neue Hoffnung für eine Friedenslösung gibt, bleibt abzuwarten. Möglich ist, dass nach der Wahl in Russland, Präsident Vladimir Putin, bestrebt sein könnte, dem Frieden eine neue Chance zu geben. Andererseits stehen in der Ukraine im kommenden Jahr Präsidenten- und Parlamentswahlen bevor. Hohe Opferzahlen wären zweifellos auch nicht von Vorteil für Präsident Petro Poroschenko, der eine zweite Amtszeit anstrebt. Gleichzeitig ist seine Rhetorik aber in den vergangenen Monaten kompromissloser geworden, daher ist es fraglich, ob es vor den Wahlen eine reale Chance auf Frieden gibt. Ihn umsetzten sollte eine UNO-Friedensmission, über die die USA und Russland seit Monaten verhandeln. Ein Kompromiss ist noch nicht in Sicht. Hinzu kommt, dass Kiew und die prorussischen Rebellen völlig entgegengesetzte Vorstellungen zu einer derartigen Mission haben. Mit einem der Rebellenführer hat unser Korrespondent in der Ukraine, Christian Wehrschütz in Donezk über die Lage nach der Wahl in Russland gesprochen; hier sein Bericht:

Wie wird Vladmir Putin seine Ukraine-Politik gestalten, nachdem die Präsidentenwahl so wie erwartet gelaufen ist? Auch in Donezk wird diese Frage erörtert, denn die prorussischen Machthaber um Alexander Sachartschenko sind de facto von russischer Hilfe abhängig. In politischer Opposition zu ihm, steht der frühere Rebellen-Kommandant Alexander Chodakowskij; er verfügt ebenfalls über entsprechende Kontakte in Moskau; Alexander Chodakowskij:

"Solange alle personellen Änderungen im Umfeld von Wladimir Putin nicht abgeschlossen sind, lässt sich das nicht sagen. Man muss abwarten, wer aus dem Lager der politischen Falken oder dem Lager derer kommt, die für eine politische Regelung der Beziehungen zur Ukraine sind. Trotzdem sehe ich keine Anzeichen, dass es im Donbass zu einer raschen Lösung kommt."

Trotzdem wird über eine mögliche UNO-Friedensmission bereits diskutiert, so wie jüngst in Kiew. Hauptredner war der Österreicher Wolfgang Petritsch, einst Hoher Repräsentant der UNO in Bosnien und Herzegowina. Die Missionen am Balkan wie etwa im kroatischen Ostslawonien dienen als Ausgangspunkt; völlig unklar ist aber, was in der Ostukraine mit den vielen Tausenden Personen geschehen soll, die auf prorussischer Seite im Einsatz sind. In der Ostukraine wollen sich die Rebellen eine UNO-Friedensmission jedenfalls nicht von Russland diktieren lassen, betont Alexander Chodakowskij:

"Wir können für uns eine Entscheidung treffen, die im Gegensatz zu Russland steht, was etwa die Haltung zu UNO-Friedenstruppen betrifft. Doch damit verlassen wir die Gesprächsbasis mit Russland. Wir verstehen, dass das dann der letzte Schritt wäre, dessen Folgen unvorhersehbar wären, doch wir können das tun. Wir können dieses Gebiet nicht verlassen, würde dieses kroatische Szenario der Friedenstruppen umgesetzt werden. Das können vielleicht einige hundert Personen, also die Führung doch zurück bleiben jene Zentausende, die sie mobilisiert haben. "

Alexander Chodakowskij zählte zu den Organisatoren des Widerstandes in Donezk. Sein Bataillon „Osten“ kämpfte oft an vorderster Front. Der 45-jährige Chodakowskij denkt eigenständig, und ist sich auch der wirtschaftlichen Bedeutung der Ukraine und der Probleme mit Russland bewusst; dazu sagt Alexander Chodakowsij

"Russland öffnet seine Grenze für uns nicht, weil wir ein sehr stark bewaffnetes Gebiet darstellen. Russland fürchtet sich vor dem Hereinströmen von Waffen und Sprengmitteln von unserer Seite. Es gibt sogar lange Schlangen, wenn unsere Leute nach Russland fahren wollen, um einfach nur Lebensmittel besserer Qualität einzukaufen. Denn was hierher an Lebensmitteln importiert wird, ist billig und von niedriger Qualität. Das führt dazu, dass viele gezwungen sind, einfach in die nächste russische Ortschaft zu fahren, auch um etwa dort zu tanken, weil bei uns die Qualität des Treibstoffs sehr niedrig ist. Somit sind wir in einer widersprüchlichen Lage: einerseits gibt es keinen Dialog mit der Ukraine, weil auf beiden Seiten dazu der Wille fehlt. Anderseits ist klar, dass ohne Handelsbeziehungen mit der Ukraine mit einer Normalisierung der Lage hier nicht zu rechnen ist, weil die Ukraine unser traditioneller Markt ist.“

Doch dieser Markt bleibt verschlossen, während Russland seinen kaum öffnet. Die Rebellengebiete sind politisch fast ein Niemandsland, wobei die Zeche die Zivilbevölkerung zahlt, für die ein Ende des Alptraums nicht in Sicht ist.

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