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Wie leben junge Menschen in der Ukraine

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Berichte Ukraine

Der österreichische Bundespräsident beginnt morgen seinen Staatsbesuch in der Ukraine. Mit ihm kommt auch eine Wirtschaftsdelegation mit mehr als 30 Firmen; ausländische Investoren sind in der Ukraine nach wie vor eher Mangelware; zur Mangelware werden vor allem in der Westukraine aber auch ukrainische Arbeitskräfte; das prosperierende Polen wirkt wie ein Magnet, etwa zwei Millionen der geschätzten insgesamt fünf Millionen Arbeitsmigranten dürften in Polen arbeiten. Denn trotz einiger erfolgreicher Reformen wie der Dezentralisierung und der Bankenreform, spürt die Masse der 40 Millionen Ukrainer noch keinen Aufschwung in ihren Brieftaschen. Schwierig ist auch die Lage der Jugend; nach einer Studie reicht bei der Hälfte der befragten Jugendlichen das Geld nur für Nahrung und Kleidung; der Durchschnittslohn in der Ukraine liegt offiziell nur bei 300 Euro, doch Schattenwirtschaft und Korruption sind weit verbreitet; trotzdem ist keine massive Protestbewegung wie vor vier Jahren in Sicht

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ukraine

Insert1: Katarina Zarembo, Mitautorin der Studie „Generation Z“

Insert2: Christina, Bewohnerin der Stadt Tschernihiv

Insert3: Dmitri, Bewohner der Stadt Tscherihiv

Insert4: Dmitri, Bewohner der Stadt Tscherihiv

Gesamtlänge: 2’41

Anfang März räumte die Polizei in Kiew die Zeltstadt von Demonstranten vor dem Parlament. Der Widerstand war schwach; diese oppositionellen Gruppen brachten die Staatsführung nie in Bedrängnis. In der Ukraine misstrauen nach einer von der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung finanzierten Untersuchung drei Viertel der Jugend dem Staat, politisch interessiert sind aber nur zehn Prozent. Unzufrieden sind viele junge Menschen auch mit dem Bildungssystem:

"43 Prozent der befragten Jugendlichen sagten, dass die Ausbildung nicht den Anforderungen des Arbeitsmarktes entspricht. Bei den Fokus-Gruppen sagten dann einige Jugendliche, dass es leichter sei ohne UNI-Abschluss zu arbeiten, weil die Universität nicht dafür ausbildet, dass man danach auch eine Arbeit bekommt."

In der Stadt Tschernihiv, 120 Kilometer nördlich von Kiew, fand eine dieser Fokus-Gruppen statt; daran teilgenommen hat auch die 28-jährige Christina; sie arbeitet im Vertrieb einer Firma für Schul- und Büroartikel und verdient 240 Euro im Monat:

"Ich habe meine Ausbildung zur Buchhalterin mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen, dann aber keine Arbeit gefunden, weil ich zu jung und ohne Erfahrung sei. Jetzt habe ich eine sehr gute Arbeit, die aber nicht meiner Ausbildung entspricht. Bei uns achtet man nicht auf höhere Ausbildung, weil man gute Zeugnisse auch kaufen kann."

Die Firma zahlt für ukrainische Verhältnisse nicht schlecht; hinzukommt, dass Christina mit ihrem Freund Dmitri zusammenlebt. Der ausgebildete Geschichtelehrer arbeitet in einer Fabrik und verdient 400 Euro im Monat. Die Wohnung im Stadtzentrum hat er von seiner Großmutter geerbt. Die Visa-Liberalisierung mit der EU sehen beide mit gemischten Gefühlen:

„Ich war schon vor der Visa-Liberalisierung in Wien; ich verdiene pro Tag 13 Euro, doch in Wien kostet ein Kaffee zwischen drei fünf Euro. Somit muss ich fast einen halben Tag arbeiten, um in Wien einen Kaffee zu trinken.“

Und wie bewertet er die Maidan-Revolution vier Jahre danach?

"Im Grunde hat die Maidan-Revolution ihre Ziele erreicht. Viktor Janukowitsch ist nicht mehr Präsident; die Ukraine hat das Assoziierungsabkommen unterschrieben und jetzt orientiert sich das Land ganz nach Europa. Russland wiederum hat alle Beziehungen zerstört, dorthin möchte man gar nicht mehr reisen."

Das stimmt so nicht; die profitabelsten Zugverbindungen sind die von Kiew nach Moskau und von Odessa nach Moskau. Andererseits ist Russland trotz des Krieges in der Ostukraine nach wie vor einer der wichtigsten Handelspartner. Die Abnabelung der Ukraine und ihr Weg Richtung EU werden noch viele Jahre dauern.

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