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Wie leben junge Menschen in der Ukraine?

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Berichte Ukraine

Der österreichische Bundespräsident beginnt in diesen Stunden seinen Staatsbesuch in der Ukraine. Mit ihm kommt auch eine Wirtschaftsdelegation mit mehr als 30 Firmen; ausländische Investoren sind in der Ukraine nach wie vor eher Mangelware; zur Mangelware werden vor allem in der Westukraine aber auch ukrainische Arbeitskräfte; das prosperierende Polen wirkt wie ein Magnet, etwa zwei Millionen der geschätzten insgesamt fünf Millionen Arbeitsmigranten dürften in Polen arbeiten. Denn trotz einiger erfolgreicher Reformen wie der Dezentralisierung und der Bankenreform, spürt die Masse der 40 Millionen Ukrainer noch keinen Aufschwung in ihren Brieftaschen; der Durchschnittslohn in der Ukraine liegt offiziell nur bei 300 Euro. Schwierig ist auch die Lage der Jugend; nach einer Studie reicht bei der Hälfte der befragten Jugendlichen das Geld nur für Nahrung und Kleidung; trotzdem ist keine massive Protestbewegung wie vor vier Jahren in Sicht; über diese und andere Phänomene hat in Kire unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz mit einer der Autorinnen der Stduie gesprochen; hier sein Bericht:

Anfang März räumte die Polizei in Kiew die Zeltstadt von Demonstranten vor dem Parlament. Der Widerstand war schwach; diese oppositionellen Gruppen brachten die Staatsführung nie in Bedrängnis. In der Ukraine sind nach einer von der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung finanzierten Untersuchung nur zehn Prozent politisch interessiert. Noch geringer sei die Bereitschaft, sich politisch zu engagieren, sagt in Kiew eine der Mitautorinnen der Studie, Katarina Zarembo:

"Das ist nicht nur eine Apathie, sondern auch eine Antipathie gegenüber den staatlichen Institutionen; Politik wird als etwas Schmutziges und als etwas empfunden, dem man nicht vertraut, und daher ist es nicht wert, sich zu engagieren. So haben wir nur vier Prozent der Jugendlichen, die bereit wären, politisch tätig zu sein. Somit sieht die ukrainische Jugend für sich nicht völlig das Potential, etwas zu ändern."

Das zeigt wohl auch eine deutliche Ernüchterung vier Jahre nach der Maidan-Revolution, die viele Hoffnungen auf ein rasch besser werdendes Leben nicht erfüllt hat. Trotzdem sei die Jugend grundsätzlich optimistisch eingestellt, doch auch dabei zeige die Krise Wirkuhg, sagt Katarina Zarembo:

"71 Prozent der Befragten glauben, dass es künftig besser sein wird als jetzt. Anderseits sehen wir auch Krisenphänomene, wie das völlige Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen, denen drei Viertel der Befragten völlig misstrauen. Die Prioritäten der Jugend sind Sicherheit und Einkommen; wir hatten als Folge der Maidan-Revolution erwartet, dass an erster Stelle Werte wie Menschenrechte und Demokratie stehen würden; sie werden genannt, sind aber nicht ganz oben auf der Rangliste."

Noch größer sei das Misstrauen gegenüber internationalen Organisationen, ein Umstand, der Katarina Zarembo doch überrascht hat:

"Der Auslöser für die Maidan-Bewegung war die Nicht-Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens, obwohl das nicht der einzige Grund war. Die europäische Idee lebt in der Ukraine; doch obwohl 60 Prozent der Jugendlichen für den EU-Betritt sind, vertrauen der EU nur 30 Prozent. Wir hätten ein größeres Vertrauen erwartet. Bei anderen bekannten internationalen Organisationen wie der NATO oder dem Internationalen Währungsfonds ist das Vertrauen der Jugend noch geringer."

Zu den sichtbaren Krisenphänomenen der Ukraine zählt die massive Arbeitsmigration nach Polen aber auch in andere Staaten. Diese Abwanderung entspreche nur bedingt den Lebenszielen der ukrainischen Jugend, erläutert Katarina Zarembo:

"Zwischen 5 und 25 Prozent der Jugendlichen möchten im Ausland arbeiten, von einem halben Jahr bis längerfristig; doch überhaupt auswandern möchten nur 5 Prozent. Faktum ist, dass die Zahl der Einwohner abnimmt. Das hat mit der Geburtenrate aber auch mit der Migration zu tun. Doch nach unserer Umfrage wollen 75 Prozent überhaupt nicht auswandern, während 25 Prozent ins Ausland gehen aber auch zurückkehren wollen."

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