× Logo Mobil

Kritische Lage der Medienfreiheit

Radio
MiJ
Berichte Ukraine

Bundespräsident Alexander Van der Bellen kommt morgen zu einem Staatsbesuch in die Ukraine. Bei den Gesprächen in Kiew werden sehr viele TV-Kameras auf ihn gerichtet sein, denn die Medienvielfalt ist in der Ukraine sehr groß; weit schlechter steht es um die Medienfreiheit bestellt; in der Rangliste der Organisation „Reporter ohne Grenze“ liegt die Ukraine unter 180 Staaten auf Platz 102, Österreich aber auf Platz 11. Um politisches Asyl in Österreich angesucht hat Ende Jänner ein bekannter ukrainischer Journalist, der Chefredakteur einer der fünf erfolgreichsten Internetzeitungen. Ihn hat unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz zunächst in Österreich getroffen und dann weiter in Kiew recherchiert, wie es um die Medienfreiheit in der Ukraine bestellt ist; hier sein Bericht:

Strana.ua ist eine Internet-Zeitung, die Igor Guschwa vor zwei Jahren gründete, nachdem er wohl aus politischen Gründen eine der großen Media-Holdingen der Ukraine verlassen musste und seine Anteile verkauft hatte. Die Internet-Zeitung wurde rasch bekannt, weil sie Beiträge über Korruption in höchsten Kreisen der Staatsführung veröffentlichte; im Juni 2017 wurde Chefredakteur Igor Guschwa jedenfalls medienwirksam verhaftet; präsentiert wurde ein Paket mit 10.000 US-Dollar, die der Journalist erhalten hatte. Guschwa gibt an, das Paket als Geburtstagsgeschenk ausgehändigt bekommen und nicht geöffnet zu haben; fünf bis zehn Minuten später, sie dann die Redaktion von Sicherheitskräften durchsucht worden. Alle Vorwürfe weist Igor Guschwa entschieden zurück, dessen Asylverfahren in Österreich erst begonnen hat:

"Gegen mich hat man Straftaten fabriziert auf der Basis eines völlig erfundenen Vorwurfs, ich hätte Geld erpresst, um kritische Berichte von unserer Internetplattform zu streichen. All das habe ich nie getan, das sind alles absurde und gefälschte Anklagen, derentwegen ich bereits fünf Tage im Gefängnis war. Parallel dazu wurde ich auch in der Öffentlichkeit körperlich bedroht; doch die Sicherheitsorgane lehnten schriftlich jede Hilfe und eine Untersuchung ab."

Seit der Maidan-Revolution vor vier Jahren wurden in Kiew zwei prominente oppositionelle Journalisten ermordet; die Täter wurden bisher nicht gefunden; das ist ein Grund, warum auch Amnesty International die Freiheit der Journalisten bedroht sieht; ein anderer sind ultranationalistische Organisationen, die wiederholt nicht nur Journalisten eingeschüchtert haben. Dazu sagt in Kiew die Leiterin von Amnesty International, Oksana Pokaltschuk:

„Drohungen kommen meistens über soziale Medien, insbesondere auf Facebook. Da werden dann Journalisten als antiukrainisch, als volksfeindlich und so weiter bezeichnet, oft wird man auch prorussischer Ansichten beschuldigt. So wird uns von Amnesty International hier oft gesagt, ihr habt ein Büro in Moskau und daher arbeitet ihr zum Nutzen Moskaus, obwohl Amnesty in mehr als 150 Staaten Büros hat. Doch mit diesem Vorwurf wird versucht, all das, was wir in der Ukraine aufzeigen und an der Regierung kritisieren, sofort als unwahr vom Tisch zu wischen. Hinzu kommen dann bei anderen Organisationen noch Einschüchterungen, auch Gewaltanwendung, oder das öffentlich an den Pranger stellen.“

Neben den Internet-Zeitungen dominieren vor allem die Privatsender vier großer Medien-Gruppen die Ukraine; sie alle arbeiten nicht gewinnbringend und gehören Oligarchen, die mit ihren Medien natürlich machtpolitische Ziele verfolgen. Doch es gibt auch Nachrichten-Kanäle; zu den bekanntesten zählt der Sender 112; sein Generaldirektor, Egor Benkendorf, bewertet die Freiheit der Medien positiv:

"Allein in meinem Büro habe ich jetzt sieben verschiedene Nachrichtenkanäle eingeschalten. Doch es gibt noch mehr; daher wäre es einfach nicht wahr zu sagen, dass es in der Ukraine kein freies Wort gibt; denn ansonsten könnte es nicht diese große Vielfalt geben."

Der Sender 112 balanciert in seiner Berichterstattung eindeutig zwischen Regierung und Opposition. Zu erwarten ist, dass der Druck auf klar oppositionelle Journalisten steigen wird, je näher das Wahljahr 2019 rückt. Das größte mediale Manko der Ukraine ist aber, dass der staatliche TV-Sender NTU nur ein Schattendasein führt und seine Umwandlung in einen modernen öffentlich-rechtlichen Sender bis heute auf sich warten lässt.

Facebook Facebook