× Logo Mobil

Die katholischen Kirchen in den Rebellengebieten

Radio
Praxis
Berichte Ukraine
Vor dem Krieg war das Donezk-Becken eine Region mit enormer religiöser Vielfalt. Neben der bis heute dominanten Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats gab es die Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats, viele protestantische Gruppen und natürlich auch die katholisch Kirche und die mit ihr unierte griechisch-katholische Kirche. Diese Vielfalt ist durch den Krieg geschwunden, nicht zuletzt weil so manche Geistliche, vor allem aber viele Gläubige die Kriegsgebiete verlassen haben. Die Lage der verbliebenen Gemeinden ist schwierig, materiell wie politisch, weil es doch strikte politische Kontrollen der Tätigkeit der Griechisch-katholischen und der mit ihr unierten Römisch-Katholischen Kirche gibt. Zwei bis drei Mal pro Jahr kommt der päpstliche Nuntius aus Kiew als einer der wenigen Botschafter in die Rebellengebiete, ein pastoraler Besuch, der politisch jedenfalls heikel ist. Einerseits beobachtet Kiew diese Reisen mit Argusaugen, anderseits ließen die prorussischen Kräfte diese Mal den zuständigen griechisch-katholischen Bischof nicht einreisen, wie Gerüchte besagen, weil er sich mit ukrainischen Soldaten fotografieren ließ. In Donezk hat unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz die katholischen Geistlichen aber auch den Nuntius getroffen und einen Beitrag für die Praxis am Mittwoch gestaltet:

Die Griechisch-katholische Kirche ist in Donezk sofort an der blau-gelben Farbe des Gebäudes zu erkennen, die den Nationalfarben der Ukraine entspricht. In der Stadt war diese Kirche stets nur eine sehr kleine Religionsgemeinschaft. Nunmehr haben Abwanderung und politischer Druck diese Kirche weiter geschwächt. Von sieben Kirchen arbeiten noch drei, wobei die zwei Priester auch andere Gemeinden betreuen. Trotzdem wird in dieser Kirche jeden Tag die Messe gelesen, und zwar in ukrainischer Sprache. …. Sie ist heute eine wirkliche Rarität in Donezk, in dem Russisch nun noch stärker ist als vor Kriegsbeginn. Zwischen Donezk und Kiew ist Friede nicht in Sicht; ist eine religiöse Tätigkeit heute möglich, gilt doch die Griechisch-Katholische Kirche auch als Träger ukrainischer Identität; die Lage schildert der in der Westukraine geborene Vater Michajlo so: "Die örtliche Regierung ist immer bestrebt zu sehen, dass keine Absicht besteht, ihr zu schaden. Wenn sie nicht besteht und die Menschen ausschließlich auf pastoralem Feld arbeiten, wenn man das als Geistlicher tut, dann erlaubt sie das und dann gibt es keine Hindernisse, das auch zu tun."Massiv eingeschränkt ist die caritative Tätigkeit; die ukrainische Caritas hat bisher in Donezk keine Akkreditierung erhalten, weil damit auch rechtlich heikle Fragen verbunden sind, die den Status der prorussischen Rebellen-Gebiete berühren; dazu sagt Vater Michajlo: "Das ist ein langwieriger Prozess, Gespräche und Treffen dauern an. Als Kirchen versuchen wir, immer den Bedürftigen zu helfen, und zwar nicht nur jenen, die zu uns kommen, sondern auch Bedürftigen, die wir sehen. Dazu ein Beispiel: ich habe meinen Wagen zur Autowäsche gebracht und wurde dabei Ohrenzeuge, wie jemand sagte, er habe Verwandte und da seien Mutter und Sohn behindert und die Lage sei schwierig. Ich habe gefragt, ob ich helfen kann und habe mich dann auch mit Mutter und Sohn getroffen, und wir halfen ihnen, natürlich auch im Rahmen unserer Möglichkeiten." Doch der Krieg versursacht nicht nur materielles, sondern auch enormes menschliches Leid; daher gebe es auch große seelsorgerische Aufgaben für Geistliche, betont der einzige römisch-katholische Geistliche in Donezk, Vater Nikolaj: "Der Krieg sät Hass. Wo es Krieg gibt, gibt es Aggression, Hass, Menschen sterben, den Hunger gar nicht gerechnet; all das belastet das menschliche Herz und tötet nicht nur den menschlichen Geist, sondern auch die Seele. Und meine Aufgabe besteht darin, dass die Menschen ihre Seele und die Werte nicht verlieren, die uns der Glaube gibt. Natürlich ist es schwer, die zu lieben, die töten oder schießen; darüber ist es schwer, den Menschen zu sprechen."Und wie wirkt sich der Krieg auf die praktische, tagtägliche Arbeit aus, die sich nicht nur auf die Stadt Donezk beschränkt? Vater Nikolaj: "Früher konnte ich öfter nach Gorlowka fahren, weil die Fahrt nur 40 Minuten dauerte, weil ich da direkt am Flughafen vorbei auf die Hauptstraße fahren konnte. Kriegsbedingt muss ich Umwege fahren und da dauert die Fahrt nun bis zu zwei Stunden. Hinzu kommt, dass bei einem starken Beschuss von Gorlowka auch weniger Menschen zum Gottesdienst kommen, weil sich die Menschen natürlich fürchten, auf die Straße zu gehen." Vor dem Krieg war die römisch-katholische Kirche deutlich kleiner als die griechisch-katholische. In der gesamten Ukraine und so auch in Donezk sind Katholiken vor allem Ukrainer polnischer Abstammung; dazu zählt auch Vater Nikolaj, der aus der Winitza in der Westukraine stammt, aber seit gut 20 Jahren in Donezk wirkt. Die Struktur der Gläubigen und die Kriegsfolgen erläutert Nikolaj so: "Vor dem Krieg kamen schon mehr als 300 Gläubige zu den heiligen Messen. Am Sonntag hatten wir vier Gottesdienste in polnischer, russischer, ukrainischer und englischer Sprache, vor allem für Studenten aus afrikanischen Ländern. Mit Kriegsbeginn verließen all diese Studenten Donezk, darunter 50 aus Afrika, und für junge Menschen mit polnischen Wurzeln hat Polen zwei Mal eine Evakuierung nach Polen organisiert. Somit wanderte die Hälfte der jungen Gemeinde aus; jetzt kommen mehrheitlich alte Menschen, die schon in Pension sind und nicht auswandern können. Am Sonntag kommen jetzt daher zwischen 80 und 100 Personen." Etwa 80 Gläubige waren auch zum Gottesdienst gekommen, den Vater Nikolaj und Vater Michajlo gemeinsam mit Erzbischof Claudio Gugerotti, dem päpstlichen Nuntius zelebrierten. Gugerotti besucht zwei bis drei Mal pro Jahr als einer von nur zwei Botschaftern die prorussisch-kontrollierten Gebiete von Donezk und Lugansk. Ein Ziel seiner Besuche ist es, den verbliebenen Gläubigen Mut zu machen. …. In Donezk überbrachte er den Segen des Papstes und rief in seiner diplomatisch formulierten Predigt zum Frieden auf. Gugerottis Mission ist ein Balanceakt; einerseits geht es darum Kiew nicht zu brüskieren, anderseits geht es auch um Kontakte mit Vertretern von Donezk und Lugansk im Interesse der beiden katholischen Kirchen; für welche ist die Lage schwieriger? Dazu sagt Claudio Gugerotti: "Die Probleme für die Griechisch-Katholischen sind größer, weil sie sich auch als Vertreter des ukrainischen Patriotismus empfinden und immer die ukrainische Sprache verwenden, was hier nicht immer gerne gesehen wird; doch sie leben und arbeiten weiter hier. Das Problem der griechisch-katholischen Geistlichen liegt auch darin, dass sie verheiratet sind; das heißt, dass sie reisen müssen, doch ihre Familien leben weit weg, bis zu 1000 Kilometer."Und wie ist es um die Religionsfreiheit bestellt? Claudio Gugerotti: "Sie werden toleriert und dürfen überleben. Doch sie müssen bei allen Aspekten des religiösen Lebens um Erlaubnis fragen. Das Wichtigste, das sehr oft gefragt wird, betrifft alle Einzelheiten des Lebens der Gemeinde, wer kommt, wer geht, wann die Gottesdienste stattfinden, wann der Priester reist. All das und das gesamte Leben der Gemeinde muss dem Büro für kirchliche Angelegenheiten gemeldet werden."Als wichtigstes Thema seiner Gespräche in Donezk bezeichnet der Erzbischof die Frage, wie Bedürftige unterstützt werden können; Claudio Gugerotti hält ein Umdenken in Donezk für nicht ausgeschlossen: "Zuvor sollte hier der Eindruck vermittelt werden, dass die Lage nicht ernst ist, doch nun beginnt man hier um Unterstützung nachzufragen. Doch es ist sehr schwierig, in diesen Gebieten Hilfe zu leisten. Zwar arbeitet hier das IKRK, doch alle anderen Hilfsorganisationen sind keine internationalen, um es so zu formulieren. Die einzige Regel die es beim Projekt des Papstes für die Ukraine gibt, besteht darin, dass alles klar dokumentiert werden muss. Wir können nicht einfach Geld hergeben, sondern wir müssen die Verwendung der Mittel kontrollieren; das muss uns hier garantiert werden." 18 Millionen Euro hat Rom für die Ukraine-Hilfe zur Verfügung gestellt. Das Geld wird dringend gebraucht, denn auf beiden Seiten der Frontlinie wird die soziale Lage immer schlimmer, vor allem für Pensionisten, alleinerziehende Mütter und Mehr-Kind-Familien.
Facebook Facebook