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Die Ukraine vor dem Gipfel mit der EU in Kiew

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Berichte Ukraine
Mit der Revolution am Majdan vor mehr als drei Jahren hat die Ukraine wieder einen neuen Anlauf begonnen, sich in die EU zu integrieren. Größter Erfolg für Kiew ist dabei die Visa-Liberalisierung, die im Juni in Kraft getreten ist. Ein Ansturm nach Österreich ist dadurch nicht zu erwarten, weil Ukrainer als Arbeitsmigranten vor allem in Polen, Italien und Portugal arbeiten. Die Umsetzung der Visa-Liberalisierung dauerte drei Jahre; noch viel länger wird die Umsetzung des Assoziierungsabkommens und der Freihandelszone dauern, die Brüssel und Kiew vereinbart haben. Eine Zwischenbilanz der Beziehungen wird der Ukraine-EU-Gipfel am Donnerstag in Kiew ziehen. Seit der Majdan-Revolution hat die EU der Ukraine eine Finanzhilfe von mehr als drei Milliarden Euro geleistet; die Reformen werden jedes Jahr mit 200 Millionen Euro unterstützt; ihr Ziel ist es. Die Ukraine zu einem stabilen, modernen europäischen Staat zu machen; aus Kiew berichtet unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz

Der größte Erfolg der Ukraine bei der Annäherung an die EU ist bisher zweifellos die Visaliberalisierung, die Anfang Juni in Kraft getreten ist. Sie ist ein Beispiel dafür, wie mühsam der Weg Kiews Richtung Brüssel ist; einerseits musste die Ukraine mehr als 100 Bedingungen erfüllen – von der Passsicherheit bis zur Modernisierung der Grenzübergänge – andererseits musste die Ukraine danach warten, bis sich alle EU-Staaten auf eine Regelung geeinigt hatten, die nicht nur für die Ukraine eine Aussetzung der Visafreiheit ermöglicht. Noch viel komplexer sind die Bedingungen, die das Assozierungs- und Freihandelsabkommen vorsehen, das im Juli 2017 endgültig in Kraft getreten ist; seine Ziele beschreibt in Kiew der Leiter der EU-Delegation, Hugues Mingarelli, so:

"Durch das Assoziierungsabkommen wollen wir zwei Hauptziele erreichen: erstens wollen wir unsere politische Verbundenheit mit der Ukraine vertiefen; das bedeutet eine schrittweise Anpassung des politischen Lebens an EU-Standards; zweitens geht es um eine schrittweise Integration der Wirtschaft der EU in den gemeinsamen Markt durch die Umsetzung des Freihandelsabkommens."

Im Grunde geht es um EU-Integration ohne Mitgliedschaft; so muss die Ukraine etwa Bestimmungen zur Verkehrssicherheit, zum Schutz geistigen Eigentums, zu staatlichen Subventionen übernehmen, also die ukrainische Gesetzgebung mit dem Rechtsbestand der EU harmonisieren. Vorgesehen sind für diese Anpassung sieben Jahre, ein Zeitraum, der kaum ausreichen wird. Besonderes Augenmerk legt die EU auf den Kampf gegen die Korruption, der jedoch nur schleppend verläuft; dazu sagt Hugues Mingarelli:

"Erstens gibt es in der Ukraine Personen, die nichts ändern wollen. Das sind die sogenannten Oligarchen, die daran interessiert sind, den Status quo zu bewahren. Daher versuchen sie so gut wie möglich, den Reformprozess zum Entgleisen zu bringen. Zweitens weist die Ukraine teilweise nur sehr beschränkte Verwaltungskapazitäten auf; daher hat die EU mit den nötigen Fachkenntnissen zu helfen, um all diese schwierigen Reformen durchzuführen."

Unzufrieden ist die EU auch mit dem Tempo der Reform der Justiz und des Staatssicherheits-dienstes SBU; Hugues Minagrelli:

"Zwar wurde bei der Reform der Justiz in den vergangenen drei Jahren Vieles getan, doch der Weg ist noch weit. So müssen so rasch wie möglich Anti-Korruptionsgerichte gebildet werden; denn heute besteht noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Urteile gesprochen werden, die mit dem nicht übereinstimmen, was man in einer Demokratie erwarten kann. Die Geheimpolizei sollte sich auf den Kampf gegen Spionage und Terrorismus konzentrieren, während die traditionellen Aufgaben der Rechtsdurchsetzung andere Organe wahrnehmen sollen."

Wie schmerzlich die Umorientierung der Ukraine auf die EU verläuft, zeigt auch die Wirtschaft. Zwar steigen die Exporte in die EU insbesondere bei landwirtschaftlichen Produkten, die außerdem noch an Drittmärkte geliefert werden können; doch die Maschinen-Industrie war mit ihren Standards völlig auf den russischen Markt ausgerichtet, der durch den Krieg in der Ostukraine und den Handelskrieg mit Russland völlig zusammengebrochen ist. Die Modernisierung dieses Sektors und der Ukraine insgesamt wird somit viele Jahre dauern; wie groß das Ungleichgewicht zwischen Kiew und Brüssel ist, zeigt auch die Wirtschaft: während die EU nun der wichtigste Wirtschaftspartner ist, entfallen nur 0,8 Prozent des gesamten Handels der EU auf die Ukraine.
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