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Der Song Contest und Ruslana

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Berichte Ukraine
Am 13. Mai, in etwas mehr als einer Woche also, findet in Kiew das Finale des Eurovision Song Contests statt. Überschattet waren die Vorbereitungen von vielen Pannen, Personal-Querelen und dem Krieg mit Russland, das zum ersten Mal an einem Song Contest nicht teilnimmt, weil seine Kandidatin keine Einreisegenehmigung in die Ukraine erhielt. Von Kiew ist der Kriegsschauplatz im Osten 800 Kilometer entfernt; die Ukraine will sich daher Europa als ein Land präsentieren, das trotz Krieg auf Weltoffenheit, Reformen und Erneuerung setzt. Der Reformweg ist jedoch äußerst steinig und mit der politischen Elite sind auch Aushängeschilder wie die Sängerin Ruslana unzufrieden, die 2004 den Song Contest gewann und die Maidan-Bewegung vor drei Jahren aktiv unterstützt hat; mit ihr hat in Kiew unser Korrespondent Christian Wehrschütz über Song-Contest und Politik gesprochen; hier sein Bericht:  



Im internationalen Ausstellungszentrum laufen die Proben auf Hochtouren. Verfügbar sind nur Videoclips des Veranstalters mit kurzen Szenen sowie Small-Talk mit Kandidaten und Mitarbeitern. Journalisten sind zur Hauptbühne nicht mehr zugelassen; die Vorbereitungen durften zum letzten Mal am 21. April gedreht werden. Das Motto in Kiew lautet: „Die Vielfalt feiern“ Die Ukraine dürfte sich in Showeinlagen wohl als Land präsentieren wollen, in dem trotz Krieg mit Russland im Osten nationale Vielfalt herrscht; dazu sagt in Kiew die Sängerin Ruslana:



"In der Ukraine leben 24 Völkerschaften; das Motto bedeutet, dass wir alle verschieden sind, doch dass wir in einem Land leben; wir feiern diese Verschiedenheit, weil sie uns alle vereint; somit ist das für die Ukraine eine sehr eigene Botschaft; daher haben wir sie gewählt."



Ruslana wird bei der Willkommensfeier und im Finale auftreten und sitzt auch im Organisationskomitee des Wettbewerbs. 2004 gewann sie in Istanbul als erste Ukrainerin den Song Contest. Im selben Jahr, stand die Ukraine durch die „Orangene Revolution“, die ebenfalls am Maidan stattfand, im Brennpunkt der Weltöffentlichkeit. Diese Revolution scheiterte an der Zerstrittenheit der prowestlichen Kräfte aber auch an deren Korruption; dazu sagt Ruslana:



„Der erste Maidan war für mich auch eine Folge meines Sieges in Istanbul, weil die Menschen außerordentlich nah die Integration in Europa spürten. Diese Zugehörigkeit zu Europa spürte auch die Ukraine. Auf die orangene Revolution folgte große Enttäuschung, weil unsere Ziele nicht verwirklicht wurden. Doch mit der zweiten Revolution wurde die Ukraine ein neues Land, die Ukraine wurde wiedergeboren. Sie stand am Maidan für Würde, Gerechtigkeit und Freiheit.



Die Revolution am Maidan vor drei Jahren unterstützte die Sängerin ebenfalls; droht nicht auch diese Revolution an der alten politischen Nomenklatura der Ukraine zu scheitern? Ruslana:



"Nein, die zweite Revolution war schon erfolgreich; denn den Versprechen der Politiker beim zweiten Maidan haben wir schon nicht mehr geglaubt, weil wir wussten, dass alles so bleiben würde wie es war, und dass es an uns liegt, das Land aufzurichten. Die zweite Revolution ist daher glücklicherweise erfolgreich, weil sie uns die Augen geöffnet hat. Die Ukrainer verstehen jetzt, wie das Land zu verändern ist; der größte Erfolg liegt im Denken der Menschen, das sich so verändert hat, dass sie sich jetzt von keiner Propaganda einschüchtern lassen."



Ruslana selbst will politisch nicht mehr aktiv werden; für die Modernisierung der Ukraine hofft sie auf eine neue Politiker-Generation:



"Junge Politiker sammeln jetzt Erfahrung. Das sind alles Politiker, die auf dem Maidan gestanden haben und nach dem Maidan ins Parlament gekommen sind. Sie denken bereits anders. Ja, sie haben heute keine Mittel zur Verfügung, sie können nicht in das System hinein, man lässt sie nicht, weil das System noch alt ist. Doch früher oder später wird diese Generation aufsteigen; für sie stimmen die Menschen und sie werden die Ukraine ändern."



Beim Maidan steht auf der Flaniermeile Krestschatik die Fan-Zone des Song Contests. Die Selbstvermarktung Kiews hätte durchaus besser sein können, nicht einmal einen eigenen Videoclip gab es bis Ende April. Wie so oft ergriffen junge Ukrainer die Initiative. Sie gestalteten einen eigenen Kiew-Führer in englischer Sprache, der sehr gut und lesenswert ist. Die Hoffnung der Ukraine dürfte wirklich in ihrer Jugend liegen, wenn sie im Land bleibt und dereinst den Weg an die Spitze des Staates schaffen sollte.    

  
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