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Reportage aus Fabrik in Jasinuwata an der Frontlinie

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Berichte Ukraine
Je länger der Krieg in der Ostukraine dauert, desto stärker integrieren sich die Rebellen-Gebiete wirtschaftlich in den russischen Markt. Der Rubel hat die ukrainische Währung Griwna abgelöst, Warenlieferungen über die Waffenstillstandslinie sind legal kaum möglich; strategisch für die Ukraine wichtige Produkte wie Kohle passieren nur unter großen Mühen. Nicht zuletzt wegen des ukrainischen Wirtschaftsembargos orientieren sich Firmen in den Rebellengebieten sich immer stärker am russischen Markt, der für viele Betriebe bereits vor dem Krieg der wichtigste Absatzmarkt war. Somit rückt nicht nur eine politische, sondern auch eine wirtschaftliche Reintegration in die Ukraine in immer weitere Ferne, je länger der Krieg dauert. Unser Korrespondent Christian Wehrschütz hat eine dieser Firmen besucht, und zwar in der Stadt Jasinuwata, 15 Kilometer nördlich der prorussischen Rebellenhochburg Donezk; hier sein Bericht:



Eine Industriezone verband vor dem Krieg die Zwillingsstädte Avdijvka und Jasinuwata, das weiter von pro-russischen Kräften gehalten wird. Die feindlichen Vorposten trennen nur 200 Meter; Verletzungen der Feuerpause sind die Regel. Schwer getroffen wurde am Höhepunkt der Kämpfe auch die Maschinenfabrik der Stadt. Auf ihrem Gelände waren Truppen der Rebellen stationiert; die Fabrik war somit ein militärisches Ziel. Produziert werden Vortriebsmaschinen für den Tunnelbau. 600 Personen sind hier nun wieder beschäftig; 6.000 waren es vor dem Zerfall der Sowjetunion. Ihn habe die Fabrik nie kompensieren können, erläutert Generaldirektor Wladimir Trubtschanin:



"Während der Krise im Jahre 2008 arbeiteten hier 1.200 Personen. Wir konnten niemals zu dem Umfang der Produktion zurückkehren, der in sowjetischer bestanden hat. Wir haben immer 60 Prozent exportiert und 40 Prozent in der Ukraine verkauft. Von diesen 60 Prozent Exporten gingen 80 Prozent nach Russland und in die ehemalige Sowjetunion. Mit der Krise des Jahres 2008 halbierte sich unsere Produktion. Nach 2009 schloss sich für uns zu einem beträchtlichen Ausmaß der russische Markt.“



Zum Zerfall der Sowjetunion kam somit noch die internationale Finanzkrise, die Russland und die Ukraine massiv traf. Zwar exportierte die Fabrik ihre Vortriebsmaschinen nach Asien, Amerika und in die EU, doch wirklich konkurrenzfähig gegenüber deutschen Herstellern wurde sie nie. Somit blieb die Abhängigkeit vom russischen Markt, der 2009 nicht nur einbrach; hinzu kamen offensichtlich auch politische Probleme; sie schildert Wladimir Trubtschanin so:



"Es ist ein Mythos, dass Viktor Janukowitsch ein prorussischer Präsident war. Das ist nicht wahr. Der Zerfall normaler wirtschaftlicher und politischer Beziehungen ereignete sich bereits damals. Das geschah damals latent und nicht so offen wie nach dem Staatsstreich im Jahre 2014, doch es geschah bereits.Erst mit Beginn des Jahres 2015, öffnen wir für uns wieder den russischen Markt."



Doch 2015 war Jasinuwata schon in prorussischer Hand und Moskau trägt bis heute auch die finanzielle Bürde für die Rebellengebiete. Anderseits liefert die Fabrik sogar jetzt noch mit der Eisenbahn unter großen Schwierigkeiten in die Ukraine, während es Probleme auch mit dem russischen Zoll gibt, der die Fabrik noch immer als ukrainische wertet. Trotzdem setzt Generaldirektor Wladimir Trubtschanin neben der geplanten Modernisierung seiner Fabrik ganz auf Russland:



"Nun: in meinem Büro hängt das Porträt von Wladimir Putin; ich habe eine ausreichend gute wirtschaftliche Ausbildung, um zu verstehen, dass ohne russische Hilfe wir niemals überleben können. Daher kann das ein Leben unter dem Patronat Russlands oder ein Leben als Teil Russlands sein, wobei mir das Zweite lieber wäre."



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