Reportage aus der Stadt ohne Wasser an der Frontlinie
Fernsehen
MiJ
Berichte Ukraine
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Torezk
Insert1: Bolodimir Jelez, Freiwilliger Helfer in Torezk
Insert2: Sinaida Alexejewna, Pensionistin in Torezk
Insert3 Vera Pawlowna, 70 Jahre alte Pensionistin
Insert4; Jaroslaw Rudenko, Vizebürgermeister von Torezk
Insert5; Jaroslaw Rudenko, Vizebürgermeister von Torezk
Insert6 Sergej Tuka, stellvertretender Minister für die besetzten Gebiete
Gesamtlänge: 4’01 /// 3’26
Ein kleiner Park in der Stadt Torezk ist ein Platz, an dem Bewohner gratis Trinkwasser bekommen. Die Stimmung ist gereizt, auch deshalb weil hier kriegsbedingt nicht zum ersten Mal Wasser knapp ist. Verteilt wird das Wasser aber nicht von der Stadt, sondern von einer privaten Hilfsorganisation. Torezk hat aber wenigstens den Vorteil, dass der Beschuss hier stark nachgelassen hat:
„Zwischen den Städten Torezk und Gorlowka gibt es noch Siedlungen; dort gibt es oft Treffer und Opfer; dort ist es noch schlimmer.“
Sehr schlimm ist die Lage für gebrechliche Menschen; daher machen Wolodimir und die Sozialarbeiterin Anastasia auch Hausbesuche. 24 Liter brachten sie dieser 71-jährigen Frau; nach 44 Jahren Arbeit hat sie eine Pension von 60 Euro; ohne Sozialtarife reicht das gerade für Heizung, Medikamente und zum Überleben:
4’15 – 4’35
„Ich kaufe Brot, Sonnenblumenöl, Rüben, Kraut, Karotten; vor der Erhöhung der Betriebskosten konnte ich mir auch Hühnerfleisch leisten. Doch jetzt kaufe ich weder Fleisch noch Milch.“
An 20 Punkten verteilt die Stadt täglich Nutzwasser; jeder Vierte der 70.000 Einwohner ist Pensionist. Nicht nur viele von ihnen verwendet das Nutzwasser notgedrungen auch anders:
0’38 – 1’11
„Die Leute kochen auch mit diesem stinkenden Wasser. Zweimal wird es abgekocht; dann wird ein Verband als Filter genutzt und dann kochen wir. Das Wasser muss man sofort verwenden, sonst verdirbt es völlig.“
Ständig nachgefüllt werden die Kessel der Stadt, damit die Zentralheizung nicht ausfällt. Obwohl das Wasser zur Abschreckung grün gefärbt wird, lassen viele Bewohner Wasser aus den Heizkörpern ab; das kann die Zentralheizung gefährden, die im Februar des Vorjahres völlig zusammenbrach. Kindergärten, Schulen und andere städtische Einrichtungen werden nun ständig beheizt, schwach aber immerhin. Torezk ist eine ehemalige sowjetische Industriestadt, deren Krise der Krieg noch verschärft hat; aktiv sind noch drei Kohlegruben mit 3.200 Beschäftigten; 500 sollen nächstes Jahr ihre Arbeit verlieren; weil eine Grube geschlossen wird:
8’07 – 10’01
„In der Stadt haben wir nur 11.800 Beschäftigte, davon arbeitet mehr als jeder Vierte im Kohlebergbau. Noch schlimmer machte es der Krieg, weil die staatlichen Subventionen gekürzt wurden. Durch steigende Tarife etwa für Strom steigen die Produktionskosten. Pro Tonne sind das zwischen 90 und 105 Euro, verkauft wird sie um 50 Euro im besten Falle.“
Die Krise spüren auch die Lebensmittelgeschäfte. Versorgungsprobleme gibt es keine, doch gekauft werden vor allem nur Grundnahrungsmittel, weil die triste soziale Lage natürlich die Kaufkraft der Bevölkerung mindert und finanzielle Reserven aufgebraucht sind. (15)
Durch den Krieg wurden 800 Gebäude beschädigt; nur mehr eine Ruine ist das ehemalige Rathaus. Repariert wurden vor allem Wohnungen. Geld für die Modernisierung der maroden Infrastruktur hat die Stadt keines: (14)
11’57 – 12’38
„Wir haben Budgeteinnahmen von 6 Millionen Euro aber Ausgaben von fast 13 Millionen, wobei die Differenz der Staat finanziert. Das sind Sozialausgaben, Geld für Krankenhäuser und das Bildungswesen wie Schulen und Kindergärten.“ (20)
Die Hoffnungen der Ukraine ruhen daher auf Deutschland, das 80 Millionen Euro bereitgestellt hat, um die Wohnungsprobleme der Flüchtlinge zu lindern und die Infrastruktur in den Regionen in Frontnähe zu modernisieren. Weitere Mittel sollen aus einem internationalen Fonds kommen; doch solange Torezk in Frontnähe liegt und der Krieg nicht endet, wird die Lage auch in dieser Stadt wohl nicht besser werden.