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Zwischen Don Mak und Post an der Front

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Berichte Ukraine
Weder Krieg noch Frieden, so läßt sich wohl am besten das Leben beschrieben, das derzeit in den prorussischen Rebellengebieten der Ostukraine herrscht. Während ein Durchbruch bei den Friedensgesprächen in Minsk nicht in Sicht ist, konzentrieren sich die Gefechte vor allem auf die Gebiete beiderseits der sogenannten Waffenstillstandslinie. Dort wird in diesen Wochen so heftig geschossen wie schon viele Monate lange nicht mehr. Anderseits bauen die prorussischen Machthaber mit Hilfe Moskaus auf ihren Gebieten immer mehr staatsähnliche Gebilde auf, die sich immer weiter von Kiew entfernen, je länger eine Reintegration in die Ukraine auf sich warten läßt. Das Leben wird somit zum Spannungsverhältnis zwischen einem Krieg und dem Streben nach Normalität in einer abnormalen Situation, das unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz nun in seiner folgenden Reportage aus Donezk und Umgebung schildert:

In Donezk wurde am Sonntag nicht nur in den Außenbezirken, sondern auch nur auf Scheiben scharf geschossen. In der Anlage, in der einst das ukrainische Team für Olympia trainierte, organisierten die prorussischen Rebellen Meisterschaften für Behinderte. Daran nahm auch ein Team aus der südrussischen Stadt Rostow am Don teil, der Drehscheibe für die russische Unterstützung der Rebellen-Gebiete. Ziel derartiger Veranstaltungen ist es, Abwechslung zu schaffen und Normalität zu signalisieren. Ein Stück scheinbarer Vorkriegsnormalität kehrte nun in die Innenstadt von Donezk zurück; geöffnet haben wieder zwei der drei Restaurants, die bis Mai 2014 McDonalds betrieb. Allerdings ist es nicht das amerikanische Original, sondern die Firma „Don Mak“. Logo, Verpackung und Konzept sehen McDonalds zum Verwechseln ähnlich, doch fehlt kriegsbedingt das Coca Cola, das durch ein ähnlich schmeckendes Getränk ersetzt wurde. Die Hälfte der Rohstoffe wird noch aus Russland importiert. Die mehr als 100 Mitarbeiter verdienen jeweils 10.000 Rubel, etwa 150 Euro im Monat. Das ist doppelt so viel wie der Durchschnittslohn in den Rebellengebieten. McDonalds war schon vor dem Krieg kein billiges Essen. Jetzt kosten ein Cheeseburger, Pommes frites und ein Getränk fast vier Euro. Dazu sagt Natalija, eine Kundin:

„Ich kann nicht sagen, ob teuer oder billig; wir waren schon entwöhnt und wollten uns das genehmigen.“    

Natalijas fünfjähriger Sohn Arsenij ist begeistert:

„McDonalds ist das Beste. Am liebsten mag ich Hamburger“

Wie trügerisch die Normalität im Zentrum von Donezk ist, zeigt ein Blick 40 Kilometer nördlich nach Saizewo, einem Vorort von Gorlowka. Sajzewo kontrollieren je zur Hälfte ukrainische und prorussische Kräfte; auf deren Seite leben noch etwa 1.500 Personen, davon 800 Pensionisten; eine Ausnahme ist da schon der 12-jährige Igor. Sein Haus steht nur wenige hundert Meter von der Front entfernt; durch Beschuss wurde es jüngst schwer beschädigt. Igor erzählt:

„In den Schuppen schlug eine Granate ein; sie tötete unseren Schäferhund.“

Ebenfalls in Frontnähe steht das Behelfspostamt; es besteht aus zwei kleinen Zimmern; Computer gibt es keinen, wozu auch, denn es gibt hier keinen Strom. Die Mitarbeiter, allesamt Frauen, zahlen die kärglichen Pensionen aus, stellen Zeitungen und Pakete zu, verkaufen SIM-Karten des Mobilfunkanbieters der Rebellen, denn die ukrainischen Anbieter funktionieren kaum bis gar nicht. Die wichtigste Funktion der Post in Sajzewo beschreibt in der Zentrale in der Stadt Gorlowka die Leiterin der Post, Ludmila Chramzowa:

„Ein Briefträger ist heute nicht nur ein Briefträger, sondern ein Verbindungsglied zwischen Sajzewo und unserer Welt. Das ist heute auch eine wichtige menschliche Verbindung und vielleicht sogar der wichtigste Teil der Arbeit unserer Mitarbeiter.“

Weder Krieg noch Frieden, so läßt sich die Lage in der Ostukraine vielleicht am besten beschreiben; es ist ein Leben ohne Zukunftsperspektive; was morgen sein wird, weiß keiner der Bewohner und zwar auf beiden Seiten der sogenannten Waffenstillstandslinie.

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