Interview mit dem Verhandler der DNR in Minsk
Radio
Mittagsjournal
Berichte Ukraine
Als „stabile Stagnation“ beschreibt in Donezk Dennis Puschilin den Zustand der Friedensverhandlungen in Minsk. Puschilin ist der Vertreter der sogenannten Volksrepublik von Donezk in der Arbeitsgruppe, die sich mit politischen Fragen des Friedensplanes befasst. Die Hauptursache für mangelnde Fortschritte sieht der 34-jährige Puschilin – wenig überraschend – bei der ukrainischen Führung. Worüber in Minsk verhandelt wird, bzw. was Kiew alles umzusetzen habe, erläutert Dennis Puschilin so:
„Dazu zählt die Verabschiedung der Verfassungsreform, wie sie in der Arbeitsgruppe für politische Fragen in Minsk vorläufig festgelegt wurde. Die Ukraine muss ein Amnestiegesetz beschließen, denn das erste Gesetz haben weder der Parlamentspräsident noch der Staatspräsident unterzeichnet. Daher trat es nicht in Kraft und es muss wohl ein neues Amnestiegesetz verabschiedet werden. In Kraft setzen muss die Ukraine auch das Gesetz über unseren territorialen Sonderstatus sowie ein Sondergesetz über die Lokalwahlen in den Volksrepubliken von Donezk und Lugansk. All diese komplizierten Probleme müssen in sehr intensiver Arbeit nun gelöst werden.“
Tatsache ist, dass der ukrainische Präsident Petro Poroschenko beträchtliche Probleme hat, in Minsk vereinbarte Kompromisse durch das Parlament in Kiew zu bringen. Das beste Beispiel dafür ist die Verfassungsreform, die eine umfassende Dezentralisierung des Landes vorsieht. Das Gesetz wurde erst in erster Lesung angenommen; dafür war noch keine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, doch auch die einfache Mehrheit kam nur unter massivem Druck der USA und der EU zustande. Begleitet war die Abstimmung von massiven Ausschreitungen nationalistischer Gruppen vor dem Parlament. Ein weiteres Problem bilden der Austausch von Gefangenen und das damit verbundene Amnestiegesetz, das nicht in Kraft trat. Doch warum fordert Donezk nun eine Änderung dieses Gesetzes? Dazu sagt Dennis Puschilin:
„Kiew wendet nun prozessuale Kniffe an; so argumentiert Kiew, dass jetzt bestimmte Gefangene nicht freigelassen werden können, weil es bereits Gerichtsurteile gibt, und daher bestehe keine gesetzliche Grundlage zu deren Freilassung. Diese Frage muss man ebenfalls im Rahmen des Amnestiegesetzes behandeln.“
Schwierigster Punkt in Minsk sind derzeit die Verhandlungen über die Lokalwahlen auf Rebellen-Gebiet. Zwar haben die Rebellen ihre eigenen Wahlen vorläufig auf Ende Februar verschoben, doch die Positionen der Konfliktparteien klaffen weit auseinander. Ein Streitpunkt sind der Wahlmodus und die Teilnahme bestimmter ukrainischer Parteien. Die Position von Donezk beschreibt Puschilin so:
„Die Teilnahme bestimmter ukrainischer Parteien an unseren Wahlen erscheint für dieses Parteien selbst gefährlich. So ist es kaum vorstellbar, dass zum Beispiel die Radikale Partei von Oleg Leschko daran teilnehmen kann. Für unsere Bürger ist es schmerzhaft überhaupt daran zu denken, dass Parteien zur Wahl antreten, die zur Vernichtung unserer Bürger und unserer Infrastruktur aufgerufen und selbst daran teilgenommen haben, wie das Videos mit Laschko zeigen. Ich halte das für absurd. Daher sind wir für ein anderes Wahlsystem, wo nur einzelne Kandidaten antreten.“
Diese Einschränkung ist für Kiew wohl unannehmbar, jedenfalls derzeit. Ein weiterer Konfliktpunkt sind die Teilnahme ukrainischer Medien am Wahlkampf und die Überwachung der Wahlen durch die OSZE. Endziel von Minsk ist die Rückkehr ukrainischer Grenzpolizei an jene Übergänge, die derzeit die Rebellen kontrollieren, doch das ist derzeit bestenfalls ein Fernziel. Während in Minsk verhandelt wird, entstehen an der Waffenstillstandslinie de facto neue Grenzen und durch die ukrainische Finanz- und Wirtschaftsblockade neue Realitäten, wie die zunehmende Integration des Gebiets in die russische Rubelzone. Anderseits leidet die Bevölkerung in den Rebellen-Gebieten auch darunter, dass Dokumente in Kiew und international nicht anerkannt werden. Dazu sagt Dennis Puschilin:
„Wir haben uns an Russland gewandt, und einige Dokumente der Volksrepubliken von Donezk und Lugansk werden bereits in Russland anerkannt. Natürlich gibt es Probleme bei Geburtsurkunden oder bei Vereinbarungen über Ehescheidungen und Sterbeurkunden; doch diese Dokumente werden bereits von Russland unmittelbar anerkannt. Das ist wichtig für uns, denn Russland ist das Land, in dessen Hände uns die Ukraine treibt, und zwar Schritt für Schritt. So waren unsere Firmen gezwungen, wegen der ukrainischen Blockade mit Russland wirtschaftliche Beziehungen zu knüpfen. Das ist eine schrittweise Integration, in die uns de facto die Ukraine drängt.“