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Mit den ukrainischen Streitkräften in Frontnähe

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Berichte Ukraine
In der Ostukraine schien Ende Juli des Vorjahres der Sieg der ukrainischen Streitkräfte über prorussische Rebellen nur mehr eine Frage weniger Wochen. Doch die Offensive scheiterte, vor allem am Eingreifen russischer Truppen, aber nicht nur. Denn die ukrainischen Truppen waren insgesamt in einem sehr schlechten Zustand, von der Führung bis zur Ausrüstung, und die Absprache mit den besser ausgestatteten Freiwilligen-Bataillonen funktionierte schlecht. Über die Kämpfe berichtete vor einem Jahr bereits unser Korrespondent Christian Wehrschütz; nun hat er ukrainische Truppen einige Tage begleitet, die in der Nähe des zerstörten Flughafens von Donezk im Einsatz sind:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine

Insert1: Vitali, Zugskommandant der ukrainischen Streitkräfte  

Insert2: Evgenij, 26 Jahre

Insert3: Igor, Zahnarzt und freiwilliger Helfer

Insert4: Sergej, Kommandant des Kontrollpostens

Insert5: Andrej, Soldat aus Kiew

Gesamtlänge: 3’49

An den Spuren des Krieges entlang führt der Weg zu einer vorgeschobeneren Position der ukrainischen Streitkräfte. Ziel der Fahrt in einem klapprigen Auto ist eine alte Kohlezeche, weniger als vier Kilometer vom zerstörten Donezker Flughafen entfernt. Die Zeche war schon außer Betrieb, ehe ihr der Krieg den Rest gab. Der Zugskommandant weist uns ein. Beschossen werde die Zeche von prorussischen Kräften regelmäßig. Der Frontverlauf ist seit Monaten unverändert. Warum hält dann die vereinbarte Feuerpause nicht?

„Die OSZE-Mission arbeitet schlecht; außerdem – die Minsker Vereinbarung ist wie ein Kartenspiel mit einem Falschspieler.“

Der Zug besteht aus eingezogenen Soldaten und Freiwilligen; der Jüngste ist erst 19 Jahre alt. Zu Gefallen und Verwundeten gibt es keine Angaben. Schwere Waffen dürfen nicht gefilmt werden, Artillerie wird uns gar nicht erst gezeigt; doch man hört, dass sie da ist, und sieht ihre Spuren.

Ein Kontrollposten einige Kilometer hinter der Front ist die nächste Station. Der Posten selbst wird selten beschossen; das gilt aber nicht für seine Umgebung; daher kann man von hier aus die Missachtung des Waffenstillstandes gut beobachten:

„Jetzt schießen sie, dann kommt die Antwort; so ist es immer.“

Die Romantik des Sonnenuntergangs verfliegt daher schnell. Denn noch mehr geschossen wird in der Nacht.

In diesem Unterstand schlafen daher die meisten Soldaten, denn er bietet einigermaßen Schutz vor Beschuss. Der Tag bringt dann die tristen Verhältnisse der Streitkräfte ans Licht. Für den Generator liefern sie zu wenig Benzin. Etwa zwei Drittel der Nahrungsmittel sind Geschenke freiwilliger Helfer. Sie spielen auch an diesem Frontabschnitt eine wichtige Rolle, etwa als Zahnärzte. Dieses Auto beherbergt eine mobile Ambulanz; abgesehen von Prothesen werden hier alle anderen Eingriffe durchgeführt; sogar einen Fernseher gibt es zur Ablenkung:

„Bei uns hat man viele Zahnschmerzmittel bestellt. Doch mit Medikamenten löst man das Problem nicht. Daher haben wir dieses alte Auto gekauft, völlig neu ausgestattet, und sind zu Einheiten gefahren, um Zahnschmerzen zu behandeln.“

Mehr als 1000 Soldaten waren es in zwei Monaten; gratis verteilt werden Zahnbürsten und Zahnpasta. Zahnpflege ist teuer, für viele im Zivilleben zu teuer nicht nur am flachen Land. Geld ist daher ein Motiv für den Einsatz auch an diesem Kontrollposten; einer der Soldaten verdiente als Koch pro Monat 40 Euro; nun bekommt er 200. Die Uniformen stammen aus aller Herren Länder, sogar aus Österreich; ein Bekannter hat sie dem Mann besorgt. Unpopulär ist hier nicht nur die ukrainische Führung:  

„Wir alle haben den Krieg hier satt.“

Etwas Abwechslung bringen Ausfahrten mit dem Schützenpanzerwagen. Ansonsten beschränkt sich der Auftrag auf Beobachten und Melden. Doch der Schützenpanzerwagen ist ein potentielles stählernes Grab; Illusionen darüber gibt es nicht:

„Man durchbricht die Panzerung mit jeder Waffe!“

Besser bewaffnet und höher motiviert sind die Freiwilligen- Bataillone; das DNIPRO nützt diese unvollendete Brücke als Unterstand. Stationiert sind hier auch Soldaten der Streitkräfte, deren Meinung über die eigene politische Führung nicht druckreif ist. An ein rasches Kriegsende glaubt hier keiner; eine Rückeroberung ist ohnehin illusorisch, während eine politische Lösung weiter auf sich warten lässt.  

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