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Ukraine und die Annäherung an die NATO

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Berichte Ukraine
Der Krieg in der Ostukraine hat nach offiziellen Angaben bisher fast 7.000 Zivilisten das Leben gekostet. Doch das sind nur die offiziellen Zahlen, Schätzungen sind um ein vielfaches höher. Zweifelhaft sind auch die offiziellen Zahlen zu den Verlusten bei den Streitkräften; sie werden mit etwa 1.700 Gefallenen angegeben. Doch nicht nur die Todesopfer, sondern auch die vielen Niederlagen der Streitkräfte sind das Ergebnis ihres Niedergangs in den mehr als 20 Jahren seit dem Zerfall der Sowjetunion. Angesichts des Krieges unter russischer Beteiligung in der Ostukraine investiert Kiew nun etwa fünf Prozent in die Modernisierung aller seiner Sicherheitskräfte. Das ist de facto eine Verdoppelung der Ausgaben für die Sicherheitskräfte, und das in Zeiten einer auch massiven wirtschaftlichen Krise. Bei der Modernisierung der Streitkräfte helfen auch die NATO und ihre Mitgliedsstaaten; über die NATO-Annäherung der Ukraine berichtet aus Kiew unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

Seit 1994 nimmt die Ukraine am NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ teil, an dem sich auch Österreich beteiligt. Im Gegensatz zu Österreich hat die Ukraine aber bisher an praktisch allen NATO-Einsätzen teilgenommen, und zwar nicht nur in Zeiten prowestlicher Präsidenten, sondern auch unter dem Ende Februar des Vorjahres gestürzten Viktor Janukowitsch. Doch weder die Beteiligung an NATO-Einsätzen oder UNO-Missionen trugen zu einer Modernisierung der Streitkräfte bei; im Gegenteil, ihr Niedergang wurde immer schlimmer; warum, erläutert in Kiew der für Internationale Zusammenarbeit zuständige Generalleutnant Leonid Golopatjuk so:

"Erstens fehlte jedes Verständnis dafür, welche Bedrohungen und Herausforderungen es für das Land gab. Zweitens waren die Streitkräfte keine Priorität keines vorhergehenden Präsidenten. Hinzu kam die absolut katastrophale Unterfinanzierung. In 20 Jahren wurde keine einzige Einheit modernisiert und mit moderner Militärtechnik ausgestattet; keine Übungsmöglichkeiten für Piloten, Panzer, Artillerie gab es. Besonders schlimm waren die Jahre unter Präsident Viktor Janukowitsch, wo alles Geld aus dem Budget des Verteidigungsministeriums herausgezogen wurde."

Die Folgen des Niedergangs zeigten sich bereits bei der Annexion der Halbinsel Krim. Noch klarer wurden die massiven Mängel bei den Niederlagen im Krieg in der Ostukraine. Während die Kämpfe seit der Waffenstillstandsvereinbarung von Minsk im Februar stark nachgelassen haben, hat sich die Hinwendung der Ukraine zur NATO drastisch verstärkt; dazu sagt Generalleutnant Leonid Golopatjuk:

"Die Ukraine verfolgt bei der Zusammenarbeit mit der NATO drei Ziele: Ersten die Reform der Streitkräfte, zweitens gibt uns die Zusammenarbeit die Möglichkeit, die Interoperabilität mit den Streitkräften der NATO-Mitglieder herzustellen. Das wichtigste dabei sind die Verteidigungsdoktrin und die Dokumente zur Streitkräfteplanung. Weiters geht es um die einheitliche Arbeit in Stäben, die ein wechselseitiges Verständnis bei der Einsatzplanung ermöglicht. Und drittens geht es um die gemeinsame Sprache, um die einheitliche englische Terminologie, damit jene, die Befehle geben, mit einer gemeinsamen Sprache sprechen."

Den Wunsch nach einem NATO-Beitritt begründet der Generaloberst so:

"Nur im Rahmen einer kollektiven Sicherheit finden wir die Lösung der heutigen Probleme, sprich den Schutz des Landes vor Aggression gibt es nur in einem kollektiven Sicherheitssystem. Wir haben fast auf allen Ebenen die Zusammenarbeit mit den NATO-Staaten aktiviert. Heute arbeiten im Land viele Spezialisten, die uns bei der Reform der Streitkräfte beraten und bei der Ausbildung von Soldaten helfen, wobei die Nato-Standards implementiert werden. Diese Zusammenarbeit ist heute außerordentlich populär und nach Umfragen unterstützt sie mehr als 50 Prozent der Bürgert."

Diese Zahl kommt natürlich nur zustande, weil die NATO-Gegner in den Rebellengebieten der Ostukraine nicht befragt werden können. Dadurch haben die prowestlichen Kräfte der Ukraine derzeit ein deutliches Übergewicht, und so wurde der blockfreie Status aus der Verfassung gestrichen. Doch die Befürworter eines Beitritts sind in der NATO kaum vorhanden, so dass es mittelfristig wohl nur beim Wunsch der Ukraine bleiben wird.

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