Ostukraine zwischen Wahl und Krieg und Krise
Sonstiges
ZiB2
Berichte Ukraine
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine
Insert1: Gennadi, Bewohner von Stepanowka
Insert2: Pensionistin (77), Bewohnerin von Donezk
Insert3: Alexander Sacharschenko, Regierungschef der „Volksrepublik von Donezk“
Insert4: Gennadi, Bewohner von Stepanowka
Gesamtlänge: 3’07
Die Kämpfe um Sawur Mogila, die strategisch wichtige Anhöhe im Grenzgebiet zu Russland, endeten in den letzten August-Tagen. Davon massiv betroffen wurde der Ort Stepanowa. Die Schule ist nur mehr eine Ruine; ihr Wiederaufbau steht zwei Monate später ebenso in den Sternen wie der vieler Häuser. Trotzdem regt sich Leben in der 1.000 Einwohner zählenden Ortschaft. Die Spuren der Kämpfe werden schrittweise beseitigt, und die Bewohner bereiten sich so gut es geht auf den Winter vor; Selbsthilfe, wo umfassende Hilfe von außen ausbleibt:
Die Leute kommen zurück, wohin sollten sie auch; wer braucht uns schon.“
Vier Monate gibt es schon keinen Strom, doch durch Landwirtschaft ist das Überleben am Land wenigstens gesichert. Diese Voraussetzung fehlt in Städten wie Donezk vielfach. Vor allem Pensionisten und alleinerziehende Mütter leiden unter Krieg und Krise. Im ehemaligen Zirkus verteilt der Fonds des lokalen Oligarchen Rinat Achmetow Hilfsgüter; täglich kommen bis zu 1.500 Bewohner; Zum Überleben reicht es, muss es reichen:
„Den vierten Monat bin ich ohne Pension; ich lebe nur von dieser Ration. Fragen sie Präsident Poroschenko, warum er uns keine Pensionen auszahlt. 42 Jahre habe ich gearbeitet; und jetzt leben wir nur davon.“
Die Ukraine überweist keine Pensionen in Gebiete, die prorussischen Rebellen kontrollieren. Frieden und Zukunft verheißen ihre Wahlplakate ebenso wie Wohlstand, Unabhängigkeit und Arbeit. Gewählt werden Parlament und Staatsoberhaupt; Alexander Sacharschenko ist aussichtsreichster Kandidat für das höchste Amt der sogenannten Volksrepublik von Donezk. In der technischen Universität diskutierte er heute mit Studenten:
„Immer wieder behauptet die Ukraine, dass der Donbas ohne sie nicht lebensfähig ist. Doch in Wirklichkeit kann die Ukraine ohne uns nicht überleben. 55 Prozent ihres gesamten Kohleverbrauchs verblieb auf unserem Territorium. In Kiew, Charkiw und teilweise in anderen Städten haben Stromabschaltungen bereits begonnen. Für sie wird das der schlimmste Winter.“
Schlimm ist es aber auch in der Ostukraine, die ohne materielle und finanzielle Hilfe aus Russland wohl nicht überleben könnte. Ungewiss ist auch, ob und wann Stepanowka wieder zu einer blühenden Ortschaft wird; doch nach den Wahlen wird es wenigstens klare Vertreter der Rebellen geben, die mit Kiew über einen Kompromiss verhandeln könnten:
„Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob ich wählen werde. … Wir wissen jetzt nicht, wer wir sind, wir hängen in der Luft. Wir sind auch für die Ukraine; aber warum sind sie gekommen, um uns zu töten. Wir haben Pässe der Ukraine, sind ihre Bürger; doch wer sind wir wirklich? So existieren wir.“