Die Ukraine zwischen Wahl und Wahlbetrug
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Berichte Ukraine
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Kiew
Tetjana Tjurewa, Leiterin einer Kreiswahlkommission in Mariupol
Mihajlo Ohendowsjkij, Vorsitzender der Zentralen Wahlkommission
Kost Bondarenko, Politologe in Kiew
Gesamtlänge: 2’30
In der Ukraine herrscht seit Mitternacht Wahlschweigepflicht; nicht ein Mal Wahlplakate sind im Stadtzentrum geblieben. Überwacht haben Wahlkampf und Wahlvorbereitungen vor allem Nichtregierungsorganisationen. Eine zeigte sich heute darüber besorgt, dass in den Kreisen Lugansk und Donezk 80 Prozent der Mitglieder der Wahlkommissionen ausgetauscht wurden; das könnte Wahlbetrug erleichtern. Wegen des Krieges ist in diesen etwa zur Hälfte von prorussischen Rebellen kontrollierten Gebieten, die Wahl nur eingeschränkt möglich. 2,8 der 36,5 Millionen Ukrainer werden nicht wählen können. In der Frontstadt Mariupol wird aber gewählt; auch die Wahlkommission blieb weitgehend konstant; zur Frage eines möglichen Wahlbetruges heißt es:
„Das Phänomen nennen wir Karussell; Eine Form besteht darin, dass ein Wähler bereits mit einem ausgefüllten Stimmzettel zur Wahl kommt, und dann im Wahllokal einen neuen Stimmzettel erhält, den er dann wieder weitergibt."
Die Hauptwahlbehörde in Kiew stuft dagegen die Betrugsgefahr als gering ein:
"Redereien über den Kauf von Mitgliedern von Wahlkommissionen sind völlig unangebracht. Außerdem zeigen jüngste soziologische Untersuchungen, dass nur sieben Prozent der Ukrainer bereit sind ihre Stimme zu verkaufen. 85 Prozent schließen das kategorisch aus.
Im Wahlkampf dominierte Fernsehwerbung; Großkundgebungen gab es kaum. Weitgehend undurchsichtig und unkontrolliert ist die Wahlkampffinanzierung:
"Gesetzlich sind die Wahlkampfkosten je Partei auf 8,5 Millionen US-Dollar beschränkt. Doch eine Partei gibt im Durschnitt allein für Fernsehwerbung zwischen 10 bis 20 Millionen US-Dollar aus. Das deklarierte Geld macht somit nur einen Bruchteil der Ausgaben aus. Wie bisher finanzieren die Parteien Oligarchen und ihre Gruppen, und man kann nur raten, wer hinter wem steht und welche Interessen verfolgt."
Hinzu kommen Gerüchte, dass für vordere Listenplätze Kandidaten zwischen fünf und neun Millionen US-Dollar zahlten. Auch das neugewählte Parlament könnte somit weniger ein Spiegelbild des Volkswillens als diverser Interessensgruppen sein.