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Einen Monat vor den Wahlen in der Ukraine

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Berichte Ukraine
In der Ukraine wird in einem Monat, das Parlament neu gewählt. Es sind vorgezogene Wahlen, am 26. Oktober, dem österreichischen Nationalfeiertag, die dem von Krieg und Wirtschaftskrise geschüttelten Land zusätzlich Stabilität bringen sollen. 47 Parteien und mehr als 1500 Kandidaten treten an. Den Wahlkampf prägen natürlich die Umwälzungen, die Majdan-Bewegung, der Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch, die russische Annexion der Krim und der Krieg in der Ostukraine bedeuten. Nach Umfragen liegt die Partei des Präsidenten von Petro Poroschenko mit 27 Prozent der Stimmen klar in Front vor allen anderen wahlwerbenden Gruppen. Doch gerade in Zeiten des Umbruchs sind auch Umfragen mit Vorsitz zu genießen, mehrere Parteien liegen an der Fünf-Prozent-Hürde, und die heiße Wahlkampfphase beginnt gerade. Aus Kiew berichtet unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

Krieg und Frieden sowie die Reformen sind die zentralen Wahlkampfthemen in der Ukraine. Entlang dieser Fragen gruppieren sich die Parteien, deren Wahlplakate nun immer stärker das Bild in Kiew und anderen ukrainischen Städten prägen. „Es ist Zeit, sich zu vereinigen“, lautet eine Parole des Blocks von Petro Poroschenko. Der ukrainische Präsident hat nach der Rückkehr zur Verfassung des Jahres 2004 nun weniger Vollmachten und ist daher besonders bemüht, sich einen starken Arm im Parlament zu schaffen. Zum Block von Petro Poroschenko zählt die Partei UDAR des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko. Ihr Parlamentsabgeordneter, der Politologe Rostislaw Pawlenko, sieht den Wahlkampf so:

"Die zwei wichtigsten Themen sind Frieden und Reformen; das betrifft die Frage, wie man sich gegenüber Vladimir Putin den Kräften verhalten soll, die ihn unterstützen und die Ukraine mit Krieg überzogen haben. Präsident Petro Poroschenko hat das Ziel, Frieden und eine Reintegration der besetzen Gebiete zu erreichen. Zweitens geht es um die Bildung einer Mannschaft, damit der Präsident, die Regierung und die parlamentarische Mehrheit gemeinsam an Reformen arbeiten können. Das betrifft die Verteidigung, Justiz, Wirtschaft und Steuersystem, die Verwaltung und die Dezentralisierung. Damit verbunden ist die Umsetzung des Assoziierungsvertrages mit der EU, um die Ukraine darauf vorzubereiten, Mitglied der EU werden zu können."

Zu den Kriegsparteien zählen die Vaterlandspartei von Julia Timoschenko und die „Radikale Partei von Oleg Laschko, der soziale Krise und Korruption anprangert und etwa die Sonderstellung für die Ostukraine ablehnt. In diese Gruppe fällt auch die „Nationale Front“ von Ministerpräsident Arsenj Jazenjuk, der für den Bau einer Mauer entlang der Grenze zu Russland eintritt. Nach einer Umfrage liegen derzeit neben dem führenden Poroschenko nur noch die Vaterlandspartei und die Radikale Partei über der Fünf-Prozent-Hürde, die für den Einzug ins Parlament zu nehmen ist. Die Aussagekraft aller Umfragen sei aber zweifelhaft, warnt der Politiologe Konstantin Bondarenko

"Unter den Bedingungen des Krieges und sozialer Erschütterungen funktioniert die Soziologie nicht. Die Fehlerquote ist enorm; es können nur Tendenzen aufgezeigt werden, aber keine absoluten Zahlen. Die einzige Soziologie, der man vertrauen kann, werden die Wahlergebnisse sein. Doch man kann sagen, dass das größte Vertrauen die Partei des Präsidenten genießt; umstritten ist, welche Partei die Fünf-Prozent-Hürde überspringen kann. Die Mehrheit der Parteien liegt zwischen vier und fünf Prozent; es reicht, noch in der letzten Woche, Emotionen zu schüren, um diese Hürde zu nehmen, und das Bild kann sich völlig ändern."

Doch es gibt noch weitere zwei Faktoren, die Voraussagen erschweren; das Wahlsystem und der Krieg. 225 der 450 Abgeordneten werden direkt gewählt; viele Bewerber sind parteilose Kandidaten, deren Abschneiden die Zusammensetzung des Parlaments beeinflusst. Zweitens sinkt durch den Verlust der Krim und durch den Krieg die Zahl der Wahlberechtigten deutlich unter 36 Millionen; dazu sagt die Vertreterin der unabhängigen Wahlbeobachter-Gruppe Opora, Olga Aivasovska:

"Fast 4,5 Millionen Wähler werden nicht wählen können. Das betrifft die 1,8 Millionen Wähler der Halbinsel Krim, doch da fehlt eine genaue Statistik, weil wir keinen Kontakt zu den russischen Behörden haben. Weitere 2,5 Millionen werden in den Gebieten der Kreise Lugansk und Donezk nicht wohlen können, die von den Terroristen besetzt sind."

Betroffen davon sind auch 32 Sitze, die in den Kreisen Lugansk und Donezk direkt vergeben werden, wo eine Wahl nur eingeschränkt möglich ist. Hinzu kommen noch hunderttausende Flüchtlinge, von denen viele nicht wählen werden oder wählen können, weil sie in Russland sind. Somit gibt es sehr viele Variablen bei der Parlamentswahl; ihre Legitimität sollte aber nicht in Zweifel gezogen werden, weil 31 Millionen Bürger ihr Wahlrecht werden ausüben können.

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