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Berdjansk und das Glück der Waffenruhe für die Ukraine

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Berichte Ukraine
Der Waffenstillstand zwischen der Führung Kiew und den prorussischen Rebellen in Donezk und Lugansk stoppt nicht nur vorläufig die Kämpfe in der Ostukraine. Vorläufig beseitigt wird damit auch die Gefahr, dass sich der Krieg in der Ostukraine ausweitet. Denn seit der Eingliederung der Krim an Russland wird spekuliert, dass Moskau mit den Rebellen in der Ostukraine eine Landverbindung zur Krim errichten will. Das würde die Versorgung der Halbinsel erleichtern die derzeit nur mit einer Fähre von Russland aus erreichbar ist. Um dieses Ziel zu erreichen müssten die Rebellen nicht nur Mariupol zurückerobern, sondern auch die zweitwichtigste Hafenstadt am Asowschen Meer, Berdjansk, in ihre Hand bekommen. Sie liegt bereits im Nachbarkreis Zaporizhia, 75 Kilometer südlich von Mariupol und 220 Kilometer von der Krim-Grenze entfernt. Dass die Ukraine eine Ausdehnung des Krieges auf Berdjansk nicht ausschließt, zeigen Maßnahmen, die zur Sicherung der Stadt getroffen werden, die unser Korrespondent Christian Wehrschütz in Berdjansk beobachtet hat.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Berdjansk

Insert1: Witalij Beltadze, Leiter der Bürgerwehr von Berdjansk

Insert2: Witalij Beltadze, Leiter der Bürgerwehr von Berdjansk

Text des Plakates bitte lesen

Insert3: Boris, Litwinow, stellv. Parlamentspräsident der „Volksrepublik von Donezk“

Gesamtlänge: 3’03

Auf den ersten Blick macht das 115.000 Einwohner zählende Berdjansk einen völlig friedlichen Eindruck. Die Tourismussaison ist vorbei, und nur noch wenige bevölkern den Strand des Asowschen Meeres. Die weitgehend stillstehenden Kräne des Hafens deuten ebenso auf die tiefgreifende Wirtschaftskrise der Ukraine hin, wie die lange Schlange vor dieser Bank im Stadtzentrum. Die Landeswährung Griwna ist knapp geworden, ebenso Devisen, die so mancher hier abholen will, weil Verwandte aus dem Ausland Geld geschickt haben. Das friedliche Bild der Fußgängerzone ist trügerisch; ebenfalls im Zentrum hat die „Bürgerwehr“ Selbstverteidigung“ ihren Sitz, die bis zu 1000 Mitglieder zählen soll. Ihr Ziel ist es, weitere Aktivität prorussischer Aktivisten im Keim zu ersticken:

„Sie gingen mit Parolen auf die Straße, riefen zur Vereinigung mit Russland und zur Spaltung der Ukraine auf. Es gab auch einige Angriffe auf die Staatspolizei und auf militärische Dienststellen, und das waren bereits ernsthaftere Erscheinungsformen des Separatismus.“

Zu den konkreten Aktionen der Bürgerwehr sagt Witalij Beltadze:

„Wir patrouillieren mit Autos und zu Fuß gemeinsam mit der Polizei und der Nationalgarde durch Siedlungen, wobei wir versuchen, die gesamte Stadt abzudecken. Wir helfen unseren Grenztruppen, weil wir eine Grenzregion auch zu Russland haben.“

Aufgerufen wird zum Boykott russischer Waren; noch deutlicher sind die Warnungen an prorussische Anhänger, die die Bürgerwehr an der Stadteinfahrt plakatiert hat:

„Bürger Separatisten“

„Solltet Ihr den Wunsch verspüren, eine Waffe in die Hand zu nehmen und sie gegen friedliche Bürger von Berdjansk zu richten, um ihnen Euren Bedingungen zu diktieren, wird es keine Warnschüsse geben.“

Kontrollposten an der Einfahrtsstraße zeigen, dass auch die ukrainischen Behörden eine Bedrohung von Berdjansk nicht ausschließen. Dass sie real ist, bestätigen in Donezk führende Vertreter der prorusssichen Rebellen:

"Im Kreis Zaporizhia sind lokale Freischärler-Einheiten aktiv geworden. Ich weiß nicht, wie diese Freischärler dort vorgehen, doch man spricht auch über einen Aufstand im Süden dieses Kreises. Sollten uns diese Aufständischen um Hilfe ersuchen, was die Methode der Befreiung ihres Kreises betrifft, werden wir diese Hilfe wahrscheinlich leisten."

Berdjansk ist neben Mariupol die wichtigste Hafenstadt am Asowschen Meer. Sollte die Ukraine beide Städte verlieren, hätte sie de facto jede Kontrolle über dieses Binnen-Meer verloren. Seine Mündung ins Schwarze Meer, die Halbinsel Kertsch, ist seit dem Anschluss der Krim ohnehin bereits in russischer Hand. Dieses Schicksal stand wohl auch Mariupol bevor, das nur schwache ukrainische Kräfte verteidigen. Der Waffenstillstand in Minsk, kommt somit auch für die Ukraine zur rechten Zeit.

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