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Katastrophale Lage in Lugansk

Sonstiges
ZiB24
Berichte Ukraine


In der Ostukraine wird das Flüchtlingselend immer größer. Die UNO spricht bereits von offiziell 285.000 Flüchtlingen; 117.000 entfallen auf die Ukraine, 168.000 auf Russland; allein in der vergangenen Woche flohen 6.200 Personen. Die Dunkelziffer dürfte aber weit höher sein; Russland spricht bereits von mehr als 700.000 Flüchtlinge. Viele stammen aus der Stadt Lugansk, die seit Wochen von ukrainischen Truppen beschossen und belagert. Die Stadt ist nicht völlig eingeschlossen, daher hat eine Massenflucht eingesetzt. 200.000 der 450.000 Bewohner sind geflohen, schätzt der Bürgermeister der Stadt. Die Infrastruktur ist weitgehend zusammengebrochen; die Müllentsorgung funktioniert nicht mehr. Nach Lugansk geschafft hat es gestern unser Korrespondent Christian Wehrschütz, der den folgenden Bericht aus der dahinsiechenden ostukrainischen Stadt gestaltet hat:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Lugansk:

Insert1: Oleg, Freischärler in Lugansk

Insert2: Oleg, Freischärler in Lugansk

Insert3: Larisa, Bewohnerin von Lugansk

Insert4: Ausgebombte Bewohnerin von Lugansk

Insert5: Ausgebombte Bewohnerin von Lugansk

Gesamtlänge: 2’40

Eine Massenflucht ist bisher das einzig Greifbare, was der Beschuss der ukrainischen Truppen bisher wirklich bewirkt hat. Menschenleer wirken Zentrum und viele Bezirke, doch Lugansk halten weiter die Rebellen. Einer von ihnen hat vor 15 Jahren in Wien Wirtschaft studiert; warum Wien?

„Warum Wien; Mein Tante war in Wien; sie hat mich ... eingeladen; ich habe alles vergessen.“

Seine Motive zum Kampf schildert er lieber auf Russisch:

„Was jetzt in der Ukraine, in Lugansk und Donezk geschieht, ist nicht richtig und darf nicht sein. Wir hatten unser Unabhängigkeitsreferendum; jetzt werden Kinder, Alte und Frauen ermordet.“

Diese Vorwürfe bestreiten die ukrainischen Truppen; trotzdem zahlen vor allem Zivilisten die Zeche des Krieges. In den Kellern ihrer Häuser suchen viele Bewohner Schutz vor weiteren Angriffen. In Lugansk geblieben sind nur wenige Frauen mit kleinen Kindern; die meisten sind ältere Menschen, die nicht fliehen können oder wollen; so wie Larisa, deren alte Mutter in einer Ortschaft sieben Kilometer entfernt von Lugansk lebt:

„Wir kommen nicht dorthin, dort wird furchtbar geschossen. Sie sehen, was von unserem Haus geblieben ist, und jetzt dorthin fahren?“

Licht am Ende des Tunnels, sehen diese Menschen nicht. Ein Bombenangriff vor fünf Tagen zerstörte ihre Existenz auf einen Schlag.

„Die Bombe kam am Fallschirm herunter; dann knallte es; durch die Druckwelle barsten auf der einen Seite die Fenster; auf dieser Seite hat man dann eine Frau ist Krankenhaus gebracht; was mit ihr ist, weiß ich nicht. Die einen flohen in den Keller, die anderen warfen sich zu Boden. Selbst bewährte Eisentürmen wurden aus den Angeln gerissen.“

Wohnungen sind verwüstet, Hilfe nicht in Sicht; fraglich ist, ob sie rechtzeitig vor der kalten Jahreszeit eintrifft; auch die Versorgung wird immer schlechter:

„Wir helfen einander; wer Wasser hat, verteilt es; wer ein Notebook hat, lässt uns daran sein Telefon aufladen. Auch die Lebensmittel teilen wir.“

Die Müllabfuhr funktioniert in Lugansk kaum noch, ebenso Festnetz- und Mobiltelefon; Strom gibt es kaum noch, Wasser wird zum Problem. Aus Angst vor noch schlimmerem, ist schon fast die Hälfte der Bewohner geflohen. Dass die Zerstörungen in Lugansk noch geringer sind als erwartet, ist für die andere Hälfte wohl nur ein schwacher Trost.

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