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Reportage aus Marinka bei Donezk

Sonstiges
ZiB24
Berichte Ukraine
In der Ostukraine werden die menschlichen Opfer und auch die Schäden immer höher, je länger die Kämpfe dauern. Besonders heftig umkämpft ist die Stadt Lugansk im östlichsten Bezirk der Ukraine. Doch auch die Vororte von Donezk haben die Gefechte bereits erreicht. Dadurch gibt es auch immer mehr Flüchtlinge; die Menschen fliehen vor den Gefechten oder müssen ihre Heimatorte verlassen, weil ihre Wohnungen zerschossen sind. Einen dieser Orte, der am Freitagabend zum ersten Mal unter Artilleriefeuer lag, hat Christian Wehrschütz, unser Korrespondent in der Ukraine, heute besucht:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine

Insert1: Bewohnerin von Marinka (wollte Namen nicht sagen) wenn sie Insert bekommt

Insert2: Sergej, Bewacht seine verlassene Wohnung in Marinka

Insert3: Sergej, Sergej, Bewacht seine verlassene Wohnung in Marinka

Insert4: Dimtrij, 28-jähriger Familienvater

Gesamtlänge: 2’12

Marinka liegt am Westrand von Donezk, etwa 30 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Abgesehen von dieser Straßensperre sind keine Rebellen in der näheren Umgebung auszumachen. Deutlich sichtbar sind aber die beträchtlichen Zerstörungen, die der Artilleriebeschuss in diesem Wohnviertel angerichtet hat. Die wenigen Einwohner, die geblieben sind, stehen vor dem Nichts:

„Wir haben weder Licht, Gas noch Wasser; wir haben gar nichts.“

Nutzwasser gibt es hier noch, das die Bewohner abkochen oder zum Waschen verwenden. Dreißig Personen sollen durch den Beschluss getötet worden sein; eine Bestätigung dieser Zahl ist nicht zu bekommen:

„Die genaue Zahl kenne ich nicht; doch ich weiß, dass dort zwei starben, eine Frau und ein Mann. “

Und wer hat mit der Artillerie geschossen?

„Die einen sagen, die Ukrainer, die anderen sagen, die Separatisten, mir ist das unklar.“

Das Feuer kam jedenfalls aus der Gegend, die in ukrainischer Hand ist. Glück im Unglück hatte der 28-jährige Dimitrij. Die Wohnung, in der seine Mutter und Schwester lebten, blieb unversehrt. Die beiden Frauen flohen so überstürzt, dass sie sogar die Kanarienvögel zurückließen:

„Ich bin gekommen, um mit dem Auto alles wegzuführen, was ich wegbringen kann. Denn vielleicht beschießt man uns wieder. Auch die Papageien werde ich mitnehmen.“

Zur Angst vor weiteren Angriffen kommt noch die Angst vor Plünderern, die in Marinka bereits ihr Unwesen treiben sollen. Nur die Feuerwehr aus dem Nachbarort hilft bei der Evakuierung. Die staatliche Ordnung ist zusammengebrochen, Polizei und Stadtverwaltung sind geflohen. Marinka mit seinen zehntausend Einwohnern gleicht einer Geisterstadt. Die Bank bewacht nur mehr ein Hund, und Kaffees und Geschäfte schließen. Still steht auch diese Viehfutterfabrik. Sie wurde zeitgerecht evakuiert, während die Bevölkerung ohne Warnung blieb. Doch 70 Personen sind nun arbeitslos, und nicht nur in Marinka, werden auch die Schäden für Infrastruktur und Wirtschaft durch den Bürgerkrieg immer katastrophaler.

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