Besuch im Flüchtlingslager in der Ostukraine
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Berichte Ukraine
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine
Insert1: Lida Kanezkaja Flüchtling aus Slowjansk
Insert2: Lida Kanezkaja Flüchtling aus Slawjansk
Insert3: Filatow Boris, Kreisverwaltung von Dnipropetrowks
Aufsager: 2’44 Christian Wehrschütz aus einem Flüchtlingslager in Bezirk Charkiw
Gesamtlänge: 3’05
Die Kämpfe in der Ostukraine richten auch immer mehr Zerstörungen an zivilen Gebäuden an. In der Stadt Slawjansk sitzen immer mehr Menschen in ihren Kellern oder werden evakuiert, wenn eine Feuerpause das zulässt. In dieses Ferienlager im Nachbarbezirk Charkiw wurden jüngst 180 Flüchtlinge mit Bussen aus Slawjanks gebracht, das fast die Hälfte der 100.000 Einwohner verlassen haben soll. Einige lebten in der Nähe der Kampfzone:
"Schon fast zwei Monate sind die kleinen Geschäfte bei uns geschlossen, weil ihre Eigentümer Angst vor den Granaten haben. Ein Geschäft in der gefährlichen Zone hat aber offen. Dort sind wir alle hingegangen. Das Brot hat nicht gereicht, weil die Bäckerei zerbombt wurde und die Zufahrtsstraßen geschlossen sind. Daher musste Brot aus einer anderen Stadt hergebracht werden. Eingekauft habe ich wenn es ruhige war meistens für zwei, drei Tage, um so wenig wie möglich aus dem Haus gehen zu müssen.“
Lidia ist mit ihrer Tochter Vera und deren Sohn aus ihrem Haus geflohen. Das Mädchen kann nicht hören und sprechen, ist aber offensichtlich eine begabte Malerin. Einige Bilder blieben in Slawjansk zurück, doch am schwersten wiegt, dass die Großmutter zurückblieb:
"Meine Mutter ist Veteranin des Zweiten Weltkrieges; sie kann nur noch zu Hause herumgehen. Sie wollte nicht fort und hat gesagt, ich werde zu Hause sterben. Ich habe alle Nachbarn, die noch da sind, gebeten, auf meine Mutter zu schauen. Sie steht bereits mit einem Bein im Grab, doch das Kind kann leben, daher bin ich mitgegangen.“
Mit ihrer neuen Bleibe sind die Flüchtlinge sehr zufrieden. In den Zimmern und beim Essen konnte nicht gefilmt werden, doch das Ferienheim bietet genügend Abwechslung. Etwa 100 Personen können hier noch aufgenommen werden. In Nachbarbezirken, wie in Dnipropetrowsk, bereitet man sich auf einen viel größeren Ansturm vor:
"Derzeit sind aus Lugansk und Donezk etwa 150 Familien zu uns gekommen, also etwa 500 Personen. Durch stärkere Gefechte kann die Zahl der Flüchtlinge ansteigen, und zwar lawinenartig. Kommen jetzt etwa ein Dutzend pro Tag, so können es binnen zehn Tagen auch schon Tausende sein."
In der Stadt Dnipropetrowks gelang es einer entschlossenen Bezirksführung, prorussische Kräfte zu entmachten. Die Veraltungsgrenze zu Donezk wird überwacht, immer wieder gibt es Straßenkontrollen. Während so ein Übergreifen der Kämpfe verhindert wird, sitzen in der Ostukraine Flüchtlinge auch in Lagern fest, die nahe der Kampfzone liegen, und in die ein Zutritt in den vergangenen Tagen nicht möglich war.