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Vor der Heimkehr ins russische Reich

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Anschluss-Referendum auf der Krim

"Здравствый Россия" – Grüß‘ Gott Russland

Auf der Halbinsel Krim ruhte seit gestern die Propaganda-Schlacht, denn seit Samstag darf gesetzlich keine Kampagne mehr für das Referendum stattfinden. Bereits am Freitag titelte daher die Tageszeitung „Krimskaja Prawda“ „Grüß‘ Gott Russland“ und „Heimat-Mutter ruft“. Dieses Plakat ist eine bewusste Anspielung auf ein berühmtes Plakat, mit dem in der Sowjetunion nach dem deutschen Angriff im Juni 1941 an den russischen Patriotismus appelliert wurde. Doch statt eines Aufrufs zu den Waffen, enthält die Fassung in der „Krimskaja Prawda“ folgenden Aufruf: „16. März Alle – zum Referendum“. Auf der Krim ist die Erinnerung an den „Großen Vaterländischen Krieg“ noch sehr lebendig, die Städte Kertsch und Sewastopol, wo auch die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist, sind stolz auf ihren Titel als „Helden-Stadt“. Daher fielen diese Appelle wohl zweifellos auf einen fruchtbaren Boden, ist doch die Krim die einzige Provinz der Ukraine mit einer russischen Bevölkerungsmehrheit. Genutzt hat die prorussische Führung in der Kampagne alle medialen Mittel, vom Facebook über das Fernsehen und das Plakat bis zur Videowand im Zentrum der Hauptstadt Simferopol.

Während der zwei Wochen dauernden Kampagne dominierten zwei Formen der Propaganda. Die eine richtete sich an den gesamtrussischen Patriotismus. Die Krim wurde erst 1954 unter Nikita Chruschtschow Teil der Ukraine, doch in sowjetischer Zeit war das eine Verwaltungs- und keine Staatsgrenze. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion Ende 1991 wurde die Krim daher tatsächlich Teil der unabhängigen Ukraine, doch in diesen knapp 23 Jahren gelang keine „Ukrainisierung“ der Krim. Der Umsturz in Kiew Ende Februar unter Beteiligung ukrainischer Ultranationalisten wurde von der russischen Propaganda erfolgreich genutzt, um die Angst vor den „Faschisten und NS-Kollaborateuren“ aus der Westukraine zu verstärken, die auf dem Krim aus zwei Gründen real ist: zum einen gibt es derartige extremistische Kräfte, andererseits wirkt die sowjetische Geschichtsschreibung noch sehr stark, die alle nationalbewussten Westukrainer taxfrei zu Verrätern abstempelte.

Der zweite Teil der Anschlusspropaganda nutzte die wirtschaftliche Existenzkrise in der Ukraine. Angesichts der leeren Kassen in Kiew ist auch auf der Krim die Angst vor Lohn- und Pensionskürzungen bei Zivilisten aber auch den vielen ehemaligen Soldaten groß. Dagegen verheiße Russland höhere Löhne, niedrigere Treibstoffpreise, Investitionen in Wirtschaft und Infrastruktur – sprich ein besseres Leben. So schwarz-weiß ist die Realität zwar nicht, doch in den Augen vieler Krim-Bewohner hat Kiew einfach seine Chancen verspielt und die Ukraine ist einfach kein Hoffnungsträger mehr für ein besseres Leben. Hinzu kommt, dass für viele Ukrainer die Krim als Ferienort zu teuer und daher nicht attraktiv ist, während mehr als 50 Prozent der Touristen aus Russland kommen.

Die Krim ist etwa so groß wie die Steiermark und Kärnten zusammen und hat zwei Millionen Einwohner. Mehr als die Hälfte sind Russen. Formell sind knapp ein Viertel der Bewohner Ukrainer, doch die tatsächlich „Ukrainisch“ sprechende Bevölkerungsgruppe dürfte weit geringer sind. Boykottieren werden das Referendum heute viele Krim-Tataren, die 1944 von Stalin unter dem Vorwand der Kollaboration komplett deportiert wurden. 260.000 sind wieder zurückgekehrt; sie versuchte die pro-russische Führung politisch einzubinden und mit finanziellen Zusagen für eine bessere Entwicklung ihrer Dörfer zu gewinnen. Ob das gelingt, wird die Stimmbeteiligung zeigen. Etwa 1,5 Millionen Bewohner sind stimmberechtigt, wobei die Zentrale Wahlkommission in Simferopol Vorwürfe aus Kiew zurückgewiesen hat, es seien mehr als zwei Millionen Stimmzettel gedruckt worden. Abzustimmen gilt es über zwei Fragen – den Anschluss an Russland oder die Rückkehr zur Verfassung des Jahres 1992, die der Krim de facto auch ein Sezessionsrecht gewährte. Für die jetzige Rechtsstellung im Rahmen der Ukraine kann gar nicht mehr gestimmt werden. Interessant wird nur die Höhe der Stimmbeteiligung sein, denn am Sieg der Anschlussbefürworter gibt es keinen Zweifel. Eine faire Debatte über für und Wider gab es nicht, ukrainische TV-Sender wurden abgeschaltet, und die wenigen pro-ukrainischen Demonstrationen sind vernachlässigbar, so dass der Heimkehr ins russische Reich trotz des Neins aus Kiew, Washington und Brüssel wohl nichts mehr im Wege stehen wird.

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