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FJ 7 Reportage aus Donezk über die Beziehungen zu Russland

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Berichte Ukraine
In der Ukraine hat der untergetauchte Präsident Viktor Janukowitsch seine politische Karriere einst als Gouverneur des Bezirks Donezk begonnen. Die Region des Donbass-Gebiets ist das Industriezentrum der Ukraine und nach wie vor stark russisch geprägt. Nach seinem Sturz in Kiew wurde Janukowitsch auch zum bisher letzten Mal am Flughafen von Donezk gesehen, wo ihm allerdings der Abflug verwehrt wurde. Sein politisches Ende kam ebenfalls in Donezk, dessen Regionsführung heute die Legitimität der neuen Machthaber in Kiew anerkannte. Aus Donezk berichtet unser Korrespondent Christian Wehrschütz

Am Lenin-Platz in Donezk beschwört ein kleines Häuflein kommunistischer Demonstranten unverdrossen seinen Kampf gegen die neuen Machthaber in Kiew. Beschworen wird die Bildung einer Ostfront, nicht die der deutschen Wehrmacht, sondern einer Front gegen Kiew, wo Ultranationalisten und Faschisten nun die Macht übernommen hätten. Ein 86-jähriger Pensionist, selbst Kriegsveteran, beobachtet die Gruppe beim Lenin-Denkmal. Zur Lage der Ukraine sagt der Veteran:

"Wir durchleben nun die politisch und wirtschaftlich schwierigsten Zeiten. Daran sind auch wir schuld, weil wir den natürlichen Reichtum der Ukraine nicht zu nutzen verstehen. Das Banditentum muss aufhören und wir brauchen eine Regierung mit erfahrenen und wertvollen Leuten, die in der Ukraine geboren sind. Wenn das nicht rasch geschieht, kann das Chaos noch größer werden."

Einen Schritt gegen das Chaos setzte gestern der Gouverneur des Bezirks Donezk, der sich von Viktor Janukowitsch lossagte, der als Präsident ohne Land, die Ukraine bereits verlassen haben könnte. Doch Gouverneur Andrej Schischazkij nennt auch klare Bedingungen für die künftige Außenpolitik der Ukraine:

„Die zukünftige Ukraine wird mit Europa sein. Doch davor ist es nötig eine strategische Vereinbarung mit Russland zu unterschreiben. Der Donbass ist sehr eng mit Russland verbunden. Daher muss man einen Kompromiss finden.“

Diese Haltung diktiert die Wirtschaft. Knapp 30 Prozent der Exporte von Donezk entfallen auf Russland, fast etwa ebenso viel wird in die EU exportiert. Doch grassierende Korruption und Bürokratie vermindern die Investitionsbereitschaft aus der EU. Das vom gestürzten Präsidenten Viktor Janukowtisch schließlich nicht unterzeichnete Assoziierungsabkommen mit der EU bewertet die Präsidentin der Wirtschaftskammer von Donezk, Elvira Sevostianenko, so:

Einerseits bietet das Abkommen enorme Vorteile für kleine Betriebe, doch für große Firmen stellt es eine Bedrohung dar. Es ist kein Geheimnis, dass der Maschinenbau im Donbass völlig auf Russland und die ehemaligen Republiken der Sowjetunion ausgerichtet ist. Die Vereinbarung mit der EU unter bestimmten Vorbedingungen ist somit ein Vorteil, do die Vorbedingung bedeutet die äußerste Modernisierung der Industrie im Donbass."

Die wirtschaftliche Realität dürfte die neue Führung in Kiew daher schon bald einholen. Doch noch dominiert Ideologie. So schränkte das Parlament den Gebrauch der russischen Sprache per Gesetz ein. In Donezk erfolgt in 90 Prozent der Schulen der Unterricht in russischer Sprache. Bleibt zu hoffen, dass das Gesetz nur Papier bleibt, denn sonst könnte die „Ostfront“ am Lenin-Platz in Donezk, doch noch massiven Zulauf bekommen.

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