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Krsko und die atomare Sicherheit der grenznahen AKW

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Das Erdbeben in Japan hat in Österreich wieder die grenznahen Atomkraftwerke ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Besonders interessant ist dabei das Atomkraftwerk Krsko etwa 100 Kilometer südlich von Laibach im Grenzgebiet zu Kroatien. Denn auch Krsko befindet sich auf einer Erdbebenlinie und Probleme wie in Japan können nicht völlig ausgeschlossen werden, obwohl es natürlich keine Gefahr durch einen Tsunami gibt. In der Bevölkerung gibt es jedenfalls auch besorgte Stimmen; geplant sind eine Verlängerung der Laufzeit und ein Ausbau der Kernkraft. Slowenische Politiker haben sich zu Japan und Krsko bisher nicht geäußert; geäußert haben sich aber Vertreter der Atomaufsichtsbehörde, Atomphysiker und leitende Ingenieure in Krsko. Mit ihnen hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz über die Sicherheit und die Herausforderungen für das AKW gesprochen, hier sein Bericht:

29.000 Einwohner zählt die Gemeinde Krsko, die durch das Atomkraftwerk über Slowenien hinaus bekannt ist. Seit 1983 am Netz liefert das AKW etwa ein Fünftel des in Slowenien erzeugten Stroms und beschäftigt mehr als 600 Mitarbeiter aus der Region. Die Regierung plant neben einer Laufzeitverlängerung bis 2043 den Bau eines zweiten Reaktorblocks. Diese Pläne finden unter den Slowenen auch in Stadt Krsko trotz Japan durchaus ihre Befürworter:

Mann:

„Ich bin nicht dagegen; Man soll bauen, wir brauchen Strom, sonst sind die Preise zu hoch“

Frau:

„Ich fürchte mich mehr vor Japan als vor dem hier.“

Die Unterschiede zwischen den Kraftwerken Fukoshima und Krsko, haben slowenische Experten seit Ausbruch der Krise immer wieder betont. Das war nicht zuletzt deshalb notwendig, weil auch das AKW Krsko in einer Erdbebenzone liegt. Doch das Erdbeben wurde Japan, jedenfalls was das Kraftwerk betrifft, nur mittelbar zum Verhängnis, erläuter im Versuchsreaktor bei Laibach der Atomphysiker Loka Snoj:

„Man muss wissen, dass alle AKW, die in Erdbebenzonen gebaut sind, so geplant wurden, dass sie das stärkste Beben aushalten; das gilt für Krsko und für Fukoshima. Tatsächlich hat das Kraftwerk diesem Erdbeben standgehalten. Als sich das Beben ereignete, schaltete sich der Reaktor automatisch ab; das Kraftwerk blieb unbeschädigt, alle Notsysteme wurden aktiviert; weil sie von der Stromversorgung abgeschnitten wurden, schalteten sich die Dieselgeneratoren ein. All diese Systeme funktionierten eine Stunde, bis dann der Tsunami kam, der diese Systeme überschwemmte und zerstörte. Dann versuchte man Reservedieselgeneratoren, doch die konnte man nicht anschließen, weil alles vernichtet und unter Wasser war.“

Trotzdem zählt die Erdbebengefahr zu den schwersten Einwänden, die AKW-Gegner gegen Krsko vorbringen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil der hochradioaktive Abfall ebenfalls auf dem Gelände des Kraftwerks gelagert wird. Dazu sagt Bozidar Kranjc, einer der leitenden Ingenieure des Kraftwerks:

"Der hochradioaktive Abfall wird im Kraftwerk im Gebäude für verbrauchte Brennstoffe gelagert; das AKW ist außerordentlich sicher gebaut gegen Erdbeben, und zwar auf einem gemeinsamen Fundament. Darauf sind alle Gebäude, die Systeme oder Komponenten beinhalten, die mögliche radioaktive Substanzen enthalten; dazu zählt auch das Becken für verbrauchte Brennstoffe."

Und was passiert, wenn durch ein Beben die externe Stromversorgung zusammenbricht? Bozidar Krajnc:

"Wenn wir die Versorgung von außen durch das 400 Kilovoltnetz verlieren, dann wird automatisch umgeschaltet auf das 110 Kilovoltnetz; und falls wir auch dieses Netz verlieren, dann haben wir zwei Dieselgeneratoren, die automatisch starten und die binnen zehn Sekunden zur Stromversorgung in der Lage sind. Beide Dieselgeneratoren wurden in einem vor Erdbeben geschützten Gebäude gebaut und sind so ausgelegt, dass sie den stärksten Beben standhalten können, die in diesem Gebiet erwartet werden. Seismologische und geologische Untersuchungen haben seit den 90iger Jahren gezeigt, dass das AKW fähig ist, ein Erdbeben auszuhalten kann, das doppelt so stark ist wie das ursprünglich vorhergesehene Beben."

Eine weitere potentielle Gefahrenquelle sind Überschwemmungen, weil das Kraftwerk an der Save liegt. Daher verweist Bozidar Kranjc bei der Führung auf dem Gelände auch auf ein umfangreiches System an Dämmen flussauf- und flussabwärts. Wegen des Klimawandels sei allerdings ein neuer Wert für höchstmögliche Überschwemmungen berechnet worden; daher würden neue Sicherheitsdämme gebaut und Sicherheitsreserven erhöht, betont Kranjc. Dem von Österreich geforderten Stresstest für Atomkraftwerke sieht Bozidar Kranjc gelassen entgegen:

"Wenn wir über einen Stresstest sprechen, dann müssen wir zuerst definieren, was ein Stresstest ist. Doch im Einklang mit den slowenischen Bestimmungen müssen im AKW Krsko regelmäßig Sicherheitskontrollen durchgeführt werden. Gerade jetzt haben wir mit einer dieser Kontrollen begonnen, und dabei überprüfen wir den Zustand des AKW gemessen an den höchsten Standards und Sicherheitsanforderungen. Auf der Grundlage dessen führen wir Modernisierungen und Zubauten durch. Einer davon ist gerade der Bau des dritten Dieselgenerators, der unsere Autonomie noch weiter erhöhen wird, sollten wir die völlige Versorgung von außen verlieren."

Der leitende Ingenieur verweist darauf, dass jährlich zwischen 30 und 50 Millionen Euro in die Modernisierung investiert würden. Bis zum Jahre 2020, das sind drei Jahre vor dem ursprünglich vorgesehenen Ende der Laufzeit, sollten in Krsko keine wesentlichen Teile mehr bestehen, die aus dem Jahre 1983 stammen als Krsko ans Netz ging. Geplant ist nun eine Verlängerung der Laufzeit um 20 Jahre bis 2043. Darüber zu entscheiden hat die unabhängige Behörde für nukleare Sicherheit in Laibach. Sie überwacht alle nuklearen Anlagen in Slowenien, misst durch ein System von Sonden die Gammastrahlung, untersucht Zwischenfälle und hält regelmäßig Kontakt auch mit Österreich. Zum bisher letzten Vorfall vor knapp drei Jahren sagt der Direktor der Behörde, Andrej Stritar:

Am 4. Juni 2008 hatten wir einen Vorfall im AKW; ein Ventil platze und das Wasser floss aus; daher wurden außerordentliche Maßnahmen verkündet, und binnen 15 Minuten wurden wir alarmiert; und auch wir haben uns hier versammelt und haben die Sache verfolgt; doch nach einigen Stunden gelang es, die Sache in Ruhe zu stoppen, und es gab keine größeren Folgen. doch wegen der Verkettung der Umstände und wegen der unglücklichen Berichterstattung in Europa, kam es zu einem großen Boom, und am nächsten Morgen waren an die 50 Kombis mit Journalisten in Krsko, obwohl sich nichts ereignet hatte."

Doch im Zentrum der Aufmerksamkeit steht derzeit Japan; die Berichterstattung darüber unterscheidet sich in Slowenien doch deutlich von der in Österreich oder Deutschland. Dazu sagt in Laibach der Zeitungsjournalist Borut Mekina:

"Wahrscheinlich würden unsere Experten sagen, dass Ihre Berichterstattung panisch und hysterisch ist, weil hier, würde ich sagen, gibt es keine Panik. Kein Politiker sagte zum Beispiel irgendetwas über Krsko im Zusammenhang mit Japan, unsere Experten redeten über den Reaktor in Japan. Diese Debatte war isoliert von Krsko; hier würden alle sagen, keine Panik uns so weiter, aber wahrscheinlich weil wir Krsko haben."

In Slowenien besteht zwischen Regierung und Opposition – trotz aller sonstigen scharfen Gegensätze - ein Konsens in der Energiepolitik. Das betrifft auch den geplanten Bau eines zweiten Reaktorblocks, ein Auftrag an dem Firmen aus den USA, Frankreich und Japan interessiert sind. Möglicherweise kommt noch Russland hinzu, denn Ministerpräsident Vladimir Putin wird bereits am Dienstag nach Laibach kommen. Wer auch immer das Rennen macht, das letzte Wort über den Bau, werde das Volk zu sprechen haben, betont Borut Mekina:

"Wir werden in Slowenien ein Referendum darüber haben, das ist jetzt schon ganz klar. In einem Monat wird sehr wahrscheinlich das Ministerium auch formell vorschlagen, dass Slowenien den zweiten Block baut; und der nächste Schritt neben einer öffentlichen Debatte wird auch ein Referendum sein, und dieses Referendum steht auch im Koalitionsvertrag der amtierenden Regierung."

Ob und wie strikt die Regierung an diesem Zeitplan festhält ist offen, und könnte vielleicht auch von internen Umfragen über die Haltung der Slowenen zur Kernkraft abhängen. Eine Umfrage des Wochenmagazins „Mladina“ ergab jedenfalls bereits im Sommer 2010, dass eine Mehrheit der Slowenen der Kernkraft skeptisch gegenüber steht. Bleibt der Konsens der politischen Eliten bestehen, ist derzeit kaum mit organisiertem Widerstand zu rechnen, weil dazu die Umweltbewegung viel zu schwach ist. Doch absolute Sicherheit gibt es weder bei der Kernkraft noch in der Politik. Daher lässt sich nach Japan wohl noch weniger vorhersagen, wie die Slowenen beim Referendum über den Ausbau der Kernkraft entscheiden werden.

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