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20240301 ORF III Petritsch zum Westbalkan zur EU und Ukraine Wehrsch Mod

Fernsehen
ORFIII
Berichte Serbien

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Belgrad

Inserts: Wolfgang Petritsch ehemaliger österreichischer Spitzendiplomat

Gesamtlänge: 5’45

Die Jahre zwischen 1991 und 1999 gelten rückblickend als die guten Jahre in den Ost-West-Beziehungen. Der Kalte Krieg war zu Ende, und das geschwächte Russland unter Boris Jelzin strebte nach Gleichberechtigung aber auch nach guten Beziehungen mit den USA. Zu einer ersten, massive Belastung zwischen Washington und Moskau führte 1999 der Kosovo-Krieg der NATO,:

9'25'2 - Kosovo-Krieg der NATO und RF - 10'14'7
„Diese sogenannte humanitäre Intervention, die dann die NATO gestartet hat, ist auch irgendwo der Startpunkt einer langfristigen Veränderung der Beziehungen, die nach 89 eigentlich durchaus zu Optimismus Anlass gegeben haben. Dass Putin diese Kosovo zum Beispiel in der NATO-Intervention sehr oft im völlig falschen Zusammenhang verwendet oder argumentiert oder rechtfertigt von der Krim bis ich weiß nicht wohin, das ist eine andere Sache. Aber im politischen Diskurs ist es tatsächlich so, dass damals 1999 praktisch am Höhepunkt des unipolaren Momentes der Vereinigten Staaten man eben den Eindruck hatte in Washington, wir können alles machen, wir können uns das leisten.“

Diese Zeiten sind vorbei, wie nicht nur der Krieg in der Ukraine zeigt. Trotzdem stellt sich die Frage, ob man aus der Beilegung der beiden Balkan-Kriege Lehren auch für die Ukraine ziehen kann:

12'32'7 - Kosovo und BiH und die Lehren für die Ukraine - 13'20'8
„Man muss dazu einmal anmerken, dass im Falle Kosovos, nicht so wie in Bosnien, vor den Friedensverhandlungen, es im Falle Dayton eben eine militärische Intervention gegeben hat, gegen die bosnischen Serben in Bosnien. Während im Kosovo wurde vorher verhandelt und danach ist die sogenannte humanitäre Aktion, also die Intervention dann erfolgt. Und ich glaube, das muss zu denken geben, weil man offensichtlich merkt, wenn nur dann, wenn der Krieg an seine Grenzen stößt oder die politischen Möglichkeiten des Krieges ausgeschöpft sind, kann man eigentlich realistischerweise zu einem Frieden kommen. Ich glaube, das ist die Lehre, die man für die Ukraine ziehen kann.“

Diese Lehre verheißt jedenfalls kein rasches Ende des Krieges. Und dieser Krieg wird auch massive Folgen für die demographische Entwicklung der Ukraine haben. Dazu zählen die vielen Kriegstoten und Invaliden, doch auch viele Flüchtlinge, werden aus dem Ausland nicht zurückkehren. Auch dabei zeigt der Balkan, was ein demographischer Aderlass bedeutet:

25'53'2 - Demographie als größte Herausforderung am Balkan - 27'05'5
Ich glaube, die größte Herausforderung, die größte sozusagen Bombe ist hier wirklich die demografische. Wenn man denkt, dass zum Beispiel Bosnien-Herzegowina 4 Millionen Einwohner sogar nach dem Krieg noch jetzt bei 2,5, 2,6 Millionen ist. Und da zeigt sich andererseits auch, dass der Beitritt zur Europäischen Union nicht das Allheilmittel ist. Wenn Sie Bulgarien anschauen, Rumänien anschauen, wo bis zu 25 Prozent der Bevölkerung auch weg sind. Oder jetzt in Kroatien, in den zehn Jahren seit dem Beitritt sind zehn Prozent der Bevölkerung weggegangen und in Kroatien ist ja wirklich noch auch eine zusätzlich interessante Entwicklung, die Zuwanderung aus dem Süden, die sehr weit reicht. Ich habe das jetzt vor kurzem in Dubrovnik erlebt, wo jetzt der Postler ein Nepalese ist. Das ist natürlich ein Unerhört, aber wahrscheinlich kann man dadurch, durch die Zuwanderung von Ferne und aus der Nähe, vielleicht in gewisser Weise es kompensieren. Aber es ist natürlich auch einfach kein Modell, das dann wirklich erfolgsversprechend sein kann, längerfristig.

Mehr als zehn Jahre dauern auch bereits die EU-Beitrittsverhandlungen mit Montenegro und Serbien; mit Albanien und Nord-Mazedonien stehen sie am Beginn, mit Bosnien und dem Kosovo sind sie noch nicht absehbar. Wolfgang Petritsch sieht in der Aufnahme des Westbalkan in die EU einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung Europas.

42'02'5 - EU-Erweiterung um den Westbalkan - 43'47
Ich glaube in der sehr wichtigen, weil letzten Endes ist ja die sogenannte Westbalkanerweiterung keine Erweiterung, sondern eigentlich eine Konsolidierung der Europäischen Union, denn die Region ist ja umgeben von EU-Mitgliedern. Das heißt also hier glaube ich, muss man das nicht nur sehen als, okay, wir bieten euch das an und ihr kommt, sondern da ist zweifellos auch etwas drinnen geopolitisch gesehen, zum Beispiel für die Europäische Union. Und wenn Brüssel zu einem geopolitischen Akteur werden muss, dann ist hier die Integration des Westbalkans eine ziemlich wichtige Aufgabe, würde ich meinen. Insofern ist auch durch den Ukraine-Krieg jetzt der Region wichtiger geworden, weil natürlich hier auch Russland immer wieder aktiv ist, die Investitionen von China und andere Möglichkeiten, die es hier gibt, sind natürlich auch nicht zu unterschätzen, aber ich meine, dass gerade die Europäische Union durchaus auch das Selbstbewusstsein entwickeln muss, mit Großmächten wie China in eine Konkurrenz zu treten, wenn es um Investitionen zum Beispiel hier im Westbalkan geht. Aber, ich glaube die Europäische Union muss auch feststellen und das muss hier von den Regierungen auch angenommen werden, dass externe Akteure wie China nach europäischen Regeln zu spielen haben. Und dass es hier auch so etwas wie eine Reziprozität gibt. Es kann nicht nur China hier einseitig investieren und Europa hat Schwierigkeiten in China zu investieren. Also hier am Balkan kann man sozusagen im Kleinen sehen, wie sich hier die Beziehungen zwischen Europa und China zum Beispiel entwickeln könnten.

Wolfgang Petritsch war in Belgrad, um die serbische Übersetzung eines seiner Bücher vorzustellen. Aus seinen diplomatischen Erfahrungen lassen sich viele nützliche Lehren ziehen; doch umgesetzt werden, müssen sie von den Politikern, die nun am Balkan und in Europa das Sagen haben.

25'53'2 - Demographie als größte Herausforderung am Balkan - 27'05'5

2'55'3 - Warum das Buch für die Region - 3'24'4

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8'27'4 - Warum keine Kriegserklärungen mehr - 8'57'2

9'25'2 - Kosovo-Krieg der NATO und RF - 10'14'7

10'381 - Europa als politischer Zweiter 11'48'2

12'32'7 - Kosovo und BiH und die Lehren für die Ukraine - 13'20'8

15'25'8 - Friedenswille auf beiden Seiten und die Größe - 16'13'1

25'53'2 - Demographie als größte Herausforderung am Balkan - 27'05'5

42'02'5 - EU-Erweiterung um den Westbalkan - 43'47

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