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Mazedonien und die EU

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Berichte Nord-Mazedonien

Kein Land des Balkan verkörpert den Wortbruch der EU und ihrer Mitglieder so klar wir Nord-Mazedonien. Zunächst blockierte Griechenland mehr als zehn Jahr den Beginn der EU-Beitrittsgespräche wegen des Namensstreits. Nach der Namensänderung blockiert nun Bulgarien, das die mazedonische Sprache und Identität nicht anerkennt und den Nachbarn zu Änderung seiner Geschichte zwingen will. Frankreich hat nur einen Kompromissvorschlag präsentiert, und EU-Ratspräsident Charles Michel war deswegen gestern auch in Skopje; er sprach ebenso mit Stevo Pendarovski, dem Präsidenten Nord-Mazedoniens, wie nach dessen Gespräch unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz; hier sein Bericht:

Seit Tagen demonstrieren in der Hauptstadt Skopje Mazedonier gegen den Vorschlag Frankreichs, mit dem die bulgarische Blockade der EU-Beitritts-Gespräche überwunden werden soll. Viele Menschen fürchten, dass ihnen eine Änderung ihrer nationalen Identität aufgezwungen werden soll, um Sofia gnädig zustimmen. Diese Ängste sind nach Ansicht des Staatspräsidenten Stevo Pendarovski unbegründet:

"Der französische Vorschlag sieht vor, dass die bulgarische Minderheit in unserer Verfassung verankert wird. Das will auch Bulgarien. Doch der französische Vorschlag enthält nicht die bulgarische Haltung, wonach unsere Sprache bis 1944 ein bulgarischer Dialekt war und die mazedonische Nation erst 1944/45 durch einen Erlass von Marschall Josip Broz Tito geschaffen wurde. Somit konzentriert sich der französische Vorschlag auf die grundlegenden EU-Kriterien; dazu zählen auch gutnachbarliche Beziehungen, die für Europa ebenfalls schon lange wichtig sind."

Für einen Kompromiss warb in Skopje der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel, der auch mit Ministerpräsident Dimitar Kovatschevski zusammentraf. Die Regierung versuch eine breite Zustimmung zu erreichen, erläutert Staatspräsident Stevo Pendarovski:

"Die mazedonische Regierung hat mit umfassenden Gesprächen mit wichtigen gesellschaftlichen Gruppen begonnen. Dazu zählen Nicht-Regierungsorganisationen ebenso wie politische Parteien, denn allein die Regierung bilden 20 Parteien. Gespräche gab es auch mit der Opposition. Ich erwarte, dass die Regierung den französischen Vorschlag annimmt, doch danach geht es darum, dass das Parlament zustimmt. Vor dem Gebäude protestieren seit Tagen viele Bürger; sie werfen uns vor, dass wir bisher nicht transparent genug den französischen Vorschlag erläutert haben. Das hat eine gewisse Berechtigung. Andererseits muss auch ich betonen, dass der französische Vorschlag die mazedonische Identität nicht vernichtet. Doch das letzte Wort haben die Abgeordneten im Parlament."

Doch nicht nur die Opposition ist dagegen. Der Frust der Bevölkerung ist enorm, weil Nord-Mazedonien seit 18 Jahren auf den Beginn von Beitrittsgesprächen mit der EU warten, und ein grünes Licht aus Bulgarien derzeit noch nicht in Sicht ist. Hinzu kommt, dass diese Verhandlungen bereits nach der Namensänderung fällig gewesen wären, die den Namensstreit mit Griechenland beigelegt hat; doch seit damals sind wieder vier Jahre vergangen, und die EU-Staaten haben ihre Versprechen nicht eingelöst.

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